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Zur Rolle der NATO in Lateinamerika

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Zur Rolle der NATO in Lateinamerika

Die Mitgliedschaft in der Nordatlantikpakt-Organisation NATO ist gemäß Artikel 10 des Nordatlantik-Paktes auf Staaten Europas und Nordamerikas begrenzt. Auch der Verteidigungsfall ist nach den Artikeln 5 und 6 des Vertrages nur bei Angriffen auf Mitglieder nördlich des nördlichen Wendekreises der Sonne gegeben, d.h. nördlich von Mexiko. Staaten Lateinamerikas können damit nicht Mitglied der NATO sein, und ein Krieg beispielsweise um die Malvinas (Falkland-Inseln) würde wie auch 1982 nicht den Bündnisfall auslösen. Dennoch hat sich das Einfluss- und Einsatzgebiet des Militärbündnisses spätestens seit Verabschiedung des dritten Strategischen Konzeptes von 1999 mit out-of-area-Einsätzen über die europäischen Territorien hinaus entwickelt. Geopolitische Einflussnahme der NATO erfolgt potentiell auf dem ganzen Planeten. Die Sicherheitsstrategie der NATO von 2010 umfasst unter anderem das sogenannte Krisenmanagement und die „kooperative Sicherheit“, die global zum Einsatz kommen. Damit liegt es nicht fern, den Blick auch auf Lateinamerika zu richten und zu fragen, welche geostrategischen Interessen dort von NATO-Partnerstaaten verfolgt werden.

Auf den ersten Blick erscheint Lateinamerika aus Perspektive des Nordens allein als „Hinterhof“ der USA. Das hat US-Außenminister Kerry am 17. April 2013 bei einer Anhörung des Foreign Affairs Committee noch einmal wörtlich bestätigt, auch wenn es ihm darum ging, die Aufmerksamkeit der USA auf Lateinamerika zu erhöhen. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass noch andere Mitglieder dort ganz unmittelbare Interessen verfolgen. Militärbasen werden in Lateinamerika von den USA, Großbritannien und Frankreich unterhalten. Geopolitische Interessen verfolgen darüber hinaus aber auch die NATO-Mitglieder Niederlande als Staat mit karibischen Territorien, sowie Spanien und Deutschland mit teils umfangreichen ökonomischen Interessen. Wir werden uns wegen des Gewichts auf die USA konzentrieren, aber auch ein paar Punkte zu den Aktivitäten weiterer NATO-Mitglieder in Lateinamerika sagen.

In einem zweiten Schritt wollen wir anschließend die jüngere Souveränitäts- und Bündnispolitik in Lateinamerika skizzieren.

I. Historische Vorläufer der Interventionspolitiken der USA in Lateinamerika

Die Intervention der USA in Lateinamerika beginnt bereits in der frühen ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die USA verfolgten Politiken mit doppelter Zielsetzung: Erweiterung der Territorien in Richtung Süden und Sicherung einer eigenen Einflusszone gegen europäische Einmischung.

Der Versuch der politischen und ökonomischen Einflussnahme dauert bis heute an. Er beginnt mit der Monroe-Doktrin von 1823, in welcher Lateinamerika als „Einflusssphäre“ deklariert wurde. Ziel ist seitdem die Sicherung ökonomischer, aber auch weiterer geostrategischer Interessen. Die politischen und ökonomischen Methoden der USA hierfür sind vielfältig. Sie umfassen die Steuerung oder Beeinflussung panamerikanischer Institutionen mit Sitz in Washington wie Organisation Amerikanischer Staaten samt Interamerikanischem Menschenrechtssystem, Interamerikanischer Entwicklungsbank, im weiteren Sinn auch IWF und Weltbank, ferner bi- und multilaterale Freihandelsabkommen und strategisch ausgerichtete Entwicklungshilfe sowie schließlich militärische Einflussnahme. Die militärischen Methoden reichen dabei von Militärinterventionen über die Installation von Militärbasen sowie militärischem und ideologischem Training von Offizieren der Streitkräfte lateinamerikanischer Staaten bis hin zur Planung und Durchführung oder logistischen Unterstützung von Staatsstreichen. Mit einer gewissen Hellsichtigkeit schrieb Simón Bolívar schon 1829 aus dem ecuatorianischen Guayaquil: „Die USA scheinen von der Vorsehung dazu bestimmt zu sein, Amerika im Namen der Freiheit mit Elend zu überziehen.“

Militärinterventionen

Die Zahl der nordamerikanischen Militärinterventionen ist lang. Ihre jüngere Geschichte beginnt im Jahr 1898 mit dem spanisch-amerikanischen Krieg. Dieser stellt mit der Annexion Puerto Ricos und der Unterwerfung Cubas als Protektorat die letzte militärische Erweiterung des Territoriums der USA dar.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts lassen sich insgesamt 46 militärische Interventionen der USA in Lateinamerika und in der Karibik zählen. In den meisten Fällen beschränkten sich diese auf die Entsendung bewaffneter Truppen sowie den Einsatz von Militärberatern. Zu Kampfhandlungen unter US-Beteiligung kam es seit Gründung der NATO 1949 insbesondere in Guatemala 1954, der Dominikanischen Republik 1965 und Panama 1989.

So weit, dass zum Schutz der ökonomischen und geostrategischen Interessen der bewaffnete Einsatz eigener Soldaten und Waffen erforderlich wurde, ließen es die USA in aller Regel also nicht kommen. Vielmehr dienten ein Cocktail aus Bedrohung und Unterstützungsleistungen und die Abhängigkeit der Eliten von den USA dazu, die schmutzige Arbeit von heimischen Militärs verrichten zu lassen. Auf die Qualität der Arbeit, um es zynisch zu sagen, nahmen die USA über die Ausbildung der Offiziere Einfluss.

Eine Reihe von Maßnahmen ging und geht dabei Hand in Hand. Wichtigste strategische Elemente sind (1) der Aufbau und die Aufrechterhaltung US-orientierter Import-Export-Strukturen, (2) die Unterfütterung der ökonomischen Strukturen durch Kontrolle multilateraler Institutionen und Maßnahmen der sogenannten Entwicklungshilfe oder Entwicklungszusammenarbeit durch die Organisationen mit Sitz in Washington, nämlich USAID, Interamerikanische Entwicklungsbank, Weltbank und IWF, (3) die Kontrolle von Eliten und vor allem nationalistischen Widerstandsbewegungen durch die CIA, (4) die Ausbildung von Offizieren durch  US-Ausbildungszentren wie die School of the Americas samt militärtechnologischer Abhängigkeit der Truppen, sowie (5) schließlich die Einrichtung von Militärbasen.

US-abhängige ökonomische Strukturen

Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben sich die ökonomischen Strukturen in Lateinamerika, insbesondere in Mittelamerika und im Norden und Westen Südamerikas, immer stärker auf ein Import-Export-Verhältnis mit den USA eingestellt. Bis in die 1950er Jahre bestand die Struktur dabei im Kern etwas vereinfacht aus der Ausfuhr von landwirtschaftlichen Produkten und Bodenschätzen gegen die Einfuhr von Konsumprodukten. Mit Einführung der importsubstituierenden Investitionen verlagerte sich in Südamerika das Gewicht der Einfuhren teilweise von Konsum- auf Ausrüstungsgüter; die Exportstruktur änderte sich nur wenig. Das Kapital für die Investitionen kam dabei, mit Ausnahme Brasiliens, in erster Linie ebenfalls aus dem Norden, d.h. vor allem den USA. Im Ergebnis führte die zaghafte Industrialisierung zu hohen Zinszahlungen an Banken und zu Gewinntransfers zu den Mutterkonzernen, beide im Norden. Die deutschen Interessen lassen sich beispielsweise an Großinvestitionen von Volkswagen in Mexiko und Brasilien erkennen. Mit Beginn des Neoliberalismus haben auch spanische Unternehmen, insbesondere Banken, Versicherungen und Telekommunikationsunternehmen, den lateinamerikanischen Markt erobert. Die Gewinne der Unternehmen werden dabei zumeist nicht national reinvestiert, sondern in den Norden exportiert. Das Bild der einzelnen Staaten ist natürlich komplexer, aber an dieser Stelle muss diese Kurzfassung aus Platz- und Zeitgründen reichen.

Bedeutung Internationaler Organisationen

Der Schutz der ökonomischen und geopolitischen Interessen der USA wurde nach dem 2. Weltkrieg systematisch durch nationale und internationale Organisationen institutionell verankert. 1948 wurde die Organisation Amerikanischer Staaten aufgebaut, mit Sitz in Washington. Das Interamerikanische Menschenrechtssystem mit Kommission und Gerichtshof sitzt in Washington. Die USA entsenden zwar RichterInnen, haben die Menschenrechtsdokumente aber selbst nicht ratifiziert. Finanziell fördern sie gezielt die Tätigkeitsbereiche, die der Aufrechterhaltung des status quo dienen. Das betrifft insbesondere den Berichterstatter zum Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit, die in Lateinamerika ähnlich wie in Italien in wenigen Händen stark konzentriert ist. Kuba wurde aus der OAS Anfang der 1960er Jahre ausgeschlossen, aber keine der rechten Diktaturen in den 1960er und 1970er Jahren.

Die staatliche Entwicklungshilfeorganisation USAID wurde unter Kennedy aufgebaut, um nach Beginn der kubanischen Revolution mit etwas Zuckerbrot zu verhindern, dass andere Staaten dem gleichen Weg folgen. Mit der Zeit wurde die USAID aber vor allem zur finanziellen Förderung von politisch-ökonomischen Strukturreformen im Interesse der USA genutzt. Die Interamerikanische Entwicklungsbank steuerte, unterstützt von der Weltbank, das Kapital für Großinvestitionen bei, die eine weitere Ausrichtung der Wirtschaftsstrukturen auf den Norden absicherten, z.B. durch Investitionen in die Erschließung von Regenwäldern und anderen Großprojekten zum Abbau von Rohstoffen, beispielsweise die großen Wasserkraftwerke in Venezuela zur Herstellung von Aluminium, Eisen und Stahl, deren Endverarbeitung dann in den USA erfolgte.

Kontrolle durch die CIA

Die ökonomischen Strukturen verfestigten und vertieften notwendig eine immer stärker wachsende gesellschaftliche Spaltung zwischen arm und reich mit einer recht kleinen Mittelschicht. Für die Masse der Menschen bot der Arbeitsmarkt nicht mehr als Subsistenzwirtschaft und Tagelöhneraktivitäten in den Armenvierteln der Städte. Im Import-Export-Bereich, insbesondere bei Dienstleistungen, konnte sich eine kleine Oberschicht entwickeln. Mangels Kaufkraft und Bildung der Bevölkerungsmassen blieb nur wenig Raum für die Expansion der Mittelschichten. Insgesamt ein fruchtbares Umfeld für revolutionäre Bewegungen jeder Art, die auf Umverteilung, Souveränität und Industrialisierung hinwirkten. Als Zentren der revolutionären Bewegungen entwickelten sich vor allem die Universitäten, aber insbesondere in Mittelamerika auch Bauernbewegungen heraus. In einigen Staaten kam das Militär, angeführt durch antiimperialistische Offiziere z.B. in Guatemala, dazu. Hier verstand es die CIA seit den 1960er Jahren als ihre Aufgabe, aufständische Bewegungen selbst oder mit Hilfe von ihr ausgebildeter, lokaler Kräfte zu bekämpfen. In den 1960er und 1970er Jahren erfolgte das vor allem durch gezielte Tötungen und Verschwindenlassen sowie die Unterstützung von Staatsstreichen. Mit tatkräftiger Hilfe der CIA gelang es so, dass Mitte der 1970er Jahre praktisch alle Staaten Lateinamerikas durch Militärdiktaturen oder autoritäre rechte Regimes regiert wurden; allein Kolumbien, das sich in einem Bürgerkrieg befand, und Venezuela, das mit Ölgeldern einen Teil der Bevölkerung stillhalten und die politische Systemopposition mit Massakern, Verschwindenlassen und Folter bekämpfte, waren „demokratisch“ regiert.

Die School of the Americas

Die mit der sogenannten Aufstandsbekämpfung und den Staatsstreichen betrauten Offiziere wurden in aller Regel in der 1946 gegründeten School of the Americas ausgebildet. Die ursprünglich in der  US-kontrollierten Kanalzone Panamas beheimatete, seit 1984 in Fort Branning, Georgia angesiedelte Akademie hat seit Gründung über 60.000 Offiziere ideologisch und militärisch ausgebildet. Seit der Kennedy-Administration gehörte antikommunistische Aufstandsbekämpfung zu den Kernthemen der Ausbildung, spätestens in den 1980er Jahren auch Folter, außergerichtliche Tötungen (d.h. Mord oder Totschlag), Freiheitsberaubung und Erpressung. Die Washington Post übertitelte denn auch einen Artikel über die School of the Americas mit „Teaching Human Rights Violations“, die New York Times sprach von der „School of the Dictators“.

Dabei stellt die US-amerikanische NGO „School of the Americas Watch“ heraus, dass mindestens elf lateinamerikanische Diktatoren die Ausbildungsstätte durchlaufen haben, darunter Manuel Noriega aus Panama (de-facto-Machthaber 1983-1989), Hugo Banzer aus Bolivien (Diktator von 1971-78, Präsident mit US-Unterstützung 1997-2002) und Guillermo Rodríguez (Diktator in Ecuador 1972-76).

Der Oberkommandierende der venezolanischen Armee Efrain Vasquez und der General Ramirez Poveda waren am Putsch gegen den Präsidenten Chávez 2002 beteiligte Absolventen der School of the Americas.

Militärausrüstung

Vor diesem Hintergrund bildet die Einrichtung von Militärbasen nur die Spitze des Eisbergs. Die Installation begann nach der Invasion Panamas 1904 und hält bis heute auf dem ganzen Kontinent an. Insbesondere im Jahr 2009 kam es zu einer größeren, lateinamerikaweiten Diskussion über US-Militärbasen. Die ecuadorianische Regierung der „Bürgerrevolution“ hatte 2008 beschlossen, den 2009 endenden Nutzungsvertrag der USA für die Luftwaffenbasis in Manta nicht zu verlängern. Der Vertrag hatte die kostenfreie Nutzung der Airbase durch bis zu 475 SoldatInnen zur Bekämpfung des Drogenhandels vorgesehen. 2009 verhandelten und vereinbarten die USA und Kolumbien schließlich die Einrichtung von sieben Militärbasen, darunter drei Flughäfen, zwei Armeestandorte und zwei Häfen, welche u.a. den Einsatz von Kampfflugzeugen in ganz Lateinamerika ermöglichten. Im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und Kolumbien einerseits, Venezuela andererseits in den Jahren 2008, 2009 wurde zudem einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, dass die USA nicht nur ihre nach dem 2. Weltkrieg eingemottete IV. Flotte im Jahr 2008 wieder aktiviert hatte, die erneut zwischen Karibik und Kap Hoorn patroulliert, sondern darüber hinaus auf verschiedenen Karibikinseln, darunter den königlich-niederländischen Inseln Aruba und Curacao direkt vor Venezuela, sowie in fast allen zentralamerikanischen und verschiedenen südamerikanischen Staaten Militärbasen unterhält oder entsprechende Nutzungsrechte innehat. Insgesamt wird geschätzt, dass die USA zwischen 24 und 37  Militärbasen und militärische Stützpunkte in Lateinamerika und der Karibik unterhalten.

Zentrales Argument der USA, die Zahl ihrer Militärbasen und die militärische Zusammenarbeit und Ausrüstung in Lateinamerika sowie die Präsenz der Geheimdienste zu erhöhen, ist der Kampf gegen Drogenhandel und organisierte Kriminalität. Associated Press berichtet, dass die US-Regierung in den letzten zehn Jahren über $ 20 Milliarden in die militärische Bekämpfung des Drogenhandels gesteckt hat. Die für die Drogenkontrolle eingerichtete Militärstützpunkte und die eingesetzten nachrichtendienstlichen Mittel lassen sich allerdings nicht nur für Drogenbekämpfung nutzen, sondern auch zur militärischen Kontrolle der beteiligten und benachbarten Staaten sowie zur allgemeinen Destabilisierung. Beachtlich ist insofern, dass insbesondere in Mittelamerika die Lage seit Beginn der Militarisierung immer mehr außer Kontrolle gerät. Die Militarisierung in Kolumbien hat von Beginn an vor allem der Bekämpfung der teils seit über 50 Jahren im Bürgerkrieg befindlichen Guerillas gedient. In Venezuela wiederum ist die Beschlagnahme von Drogen nicht nur seit Amtsantritt der Regierung Chávez massiv gestiegen, sondern noch einmal seit Beendigung der Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Drogenbekämpfungsagentur DEA im Jahr 2005. Alles in allem spricht einiges dafür, dass für die USA die Bekämpfung des Drogenhandels an sich nur eine untergeordnete Rolle bei der massiven Erweiterung der Militärpräsenz gespielt hat.

Wie steht es nun um die Präsenz anderer NATO-Staaten in Lateinamerika?

Militärische Präsenz europäischer Staaten ist in ehemaligen und verbliebenen Kolonien zu finden. Aktuell besitzen noch Großbritannien, Frankreich und die Niederlande Territorien in Lateinamerika und der Karibik.

Die militärische Rolle der Niederlande beschränkt sich darauf, Flughäfen auf Aruba und Curaçao vor der venezolanischen Küste den US-Streitkräften zur Mitnutzung vertraglich zur Verfügung zu stellen.

Frankreich betreibt drei Militärbasen in Französisch-Guyana, darunter eine Luftwaffenbasis, eine Basis der Fremdenlegion zum Schutz des Weltraum-Bahnhofs in Kourou sowie eine Dschungelkampfschule, in der auch Spezialkräfte anderer NATO-Staaten wie die Navy Seals oder die deutschen Kommando Spezialkräfte (KSK) ausgebildet werden. Weitere französische Militärbasen befinden sich in Guadeloupe und Martinique. Diese Basen dienten u.a. zur Unterstützung der britischen Streitkräfte im Krieg um die Malwinen oder Falkland-Krieg; heute werden dort gemeinsame Manöver durchgeführt.

Großbritannien betreibt zwei Militärbasen auf den Malwinen bzw. Falkland-Inseln, um die in den letzten Monaten wieder ein größerer Streit mit Argentinien entflammt ist. In Bezug auf die NATO ist dieser Konflikt insofern interessant, als dass die USA 1947 die Unterzeichnung des Interamerikanischen Vertrags über gegenseitigen Beistand bzw. Rio-Pakts betrieben hatten, in dessen Folge 1948 die Organisation Amerikanischer Staaten gegründet wurde und der zur gegenseitigen Verteidigung gegen Angriffe von außen verpflichtete. Als Argentinien sich 1982 auf diesen Vertrag berief, machten die USA jedoch geltend, dass Argentinien ein reklamiertes Gebiet angegriffen habe, und unterstützte schließlich Großbritannien. Der Beistandsvertrag wurde durch dieses Verhalten delegitimiert; Mexiko verließ den Rio-Pakt 2002, die ALBA-Staaten Bolivien, Ecuador, Nicaragua und Venezuela im Jahr 2012.

NATO und Lateinamerika

Bislang ist die NATO selbst in Lateinamerika militärisch praktisch nicht in Erscheinung getreten. Die USA behandeln Lateinamerika weiterhin als ihren eigenen Hinterhof, in welchen sie die europäischen „Partner“ nicht stärker einbeziehen, als erforderlich. So lässt sich nicht feststellen, dass sie europäischen Staaten mehr Raum geben, als diese aufgrund ihrer alten Kolonialmacht noch besitzen. Zugleich lässt sich ein massiver Ausbau der Militärpräsenz der USA in Lateinamerika in den letzten Jahren ausmachen.

Dennoch macht die weltweite Expansion des Bündnisses nicht gänzlich halt vor Lateinamerika. Die Kooperation erstreckt sich dabei zunächst vor allem auf die Teilnahme an Militäreinsätzen der NATO. Auf diesem Wege wurde Argentinien, das sich ab 1999 an den SFOR-Kräften in Bosnien-Herzegowina beteiligte, zum offiziellen NATO-Partner.

In letzter Zeit hat sich insbesondere Kolumbien zu einem Brückenland für die NATO entwickelt. Kolumbien beteiligt sich seit 2010 mit einem kleineren Kontingent an der Afghanistan-Mission Endouring Freedom. Kolumbianer stellen zudem einen Großteil der Truppen (mercenaries) der Privatarmeen im Schlepptau der NATO, die teils Aufgaben des Personen- und Sachschutzes übernehmen, teils aber auch für „schmutzige“ Aufgaben herangezogen werden, und in erheblichem Umfang von LateinamerikanerInnen gestellt werden.

Dass die Zusammenarbeit mit Kolumbien fortgeschritten ist, wurde nicht zuletzt in einem in der ganzen Region für Aufruhr sorgenden Ankündigung von Präsident Santos deutlich: dieser teilte der erstaunten Öffentlichkeit mit, Kolumbien plane, bei der NATO einen Antrag auf Aufnahme zu stellen. Aufgrund der NATO-Verträge erklärte das NATO-Hauptquartier zwar daraufhin, dass die Aufnahme nicht möglich sei; die Vorbereitung von Verträgen für einen umfassenden Austausch von Informationen und die Verschaffung des Zugangs von Aufklärungsinstrumenten der NATO an Kolumbien wurden jedoch bestätigt. Letzteres stellt gerade für die unmittelbaren Nachbarstaaten wie Ecuador, Venezuela und Brasilien angesichts der ohnehin immer wieder auftretenden politischen Spannungen eine qualitativ neue Situation dar, die vielfach als Bedrohung wahrgenommen wird. Am 25. Juni 2013 erfolgte die Unterzeichnung eines Vertrages zum Austausch klassifizierter Informationen, insbesondere in den Bereichen Drogen- und Terrorismusbekämpfung, zwischen Kolumbien und der NATO.

II. Regionale Gegenbewegungen

Waren die in der Region präsenten internationalen Organisationen bislang ganz überwiegend, und die regionalen Organisationen großenteils US-dominiert oder –kontrolliert, ist seit der Jahrtausendwende in einigen Staaten eine radikale Abkehr von diesem Kurs, in anderen jedenfalls eine Öffnung zu Kooperations- und Integrationsbündnissen unter Ausschluss der USA zu beobachten. Die Gründung von ALBA, UNASUR und CELAC sowie der Versuch der Stärkung und Neuausrichtung des Mercosur stellen einen radikalen Bruch mit den bisherigen Politiken dar.

Zeit der Umbrüche

Lateinamerika befand sich zwischen den 1970er und 1990er Jahren praktisch in einer Dauerkrise. Die im Gefolge der Weltwirtschaftskrise nach 1929 begonnene Wirtschaftspolitik mit importsubstituierenden Investitionen im Zentrum hatte aufgrund verschiedener regionaler und internationaler Faktoren, insbesondere einer Zeit billiger Kredite, die abrupt durch eine Zeit hoher Zinsen abgelöst wurde, eine Verschuldungskrise in den 1970er und 1980er Jahren ausgelöst, die vielfach Hyperinflation, politische und ökonomische Krisen mit sich brachte. Die Militärdiktaturen bekamen diese Situation ganz überwiegend nicht in den Griff, waren vielfach am Entstehen der Probleme nicht unerheblich beteiligt. Politisch bildete sich in dieser Zeit vor dem Hintergrund der Schwäche der staatlichen Strukturen, der durch Repression erfolgreichen Schwächung linker Gegenbewegungen und einer weltweiten Abkehr der kapitalistischen Staaten vom Keynesianismus ein doppelter Konsens der Eliten heraus: die Rückkehr zur verfassungsrechtlich abgesicherten Demokratie bei Durchführung neoliberaler Politiken.

Dieser Kurs des Rückzugs des Staates aus der Wirtschaft, dessen Rolle sich auf die Regelsetzung beschränken sollte, kulminierte 1990 im sogenannten Washington Consensus, dem Konsens von in Washington beheimateten Organisationen wie Weltbank, IWF, US-Finanzministerium und zahlreichen Think Tanks. Demnach sollten u.a. Deregulierung, Privatisierung, Liberalisierung, Haushaltskürzungen, Subventionsabbau inklusive Sozialabbau im Wege sogenannter Strukturanpassungen in den Staaten Lateinamerikas durchgesetzt werden.

Die regionale Bündnisdynamik entsprach diesem Weg: 1991 wurde der Mercosur als Freihandelsbündnis der vier südlichsten Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gegründet. Im gleichen Jahr begannen die Verhandlungen um den Aufbau einer amerikaweiten Freihandelszone unter Einschluss der USA und Kanadas, der ALCA bzw. FTAA. Die 1994 abgeschlossene Gründung der WTO hatte ebenfalls nicht unerhebliche Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der Region und stärkte den Trend neoliberaler Öffnungspolitiken.

Ökonomisch brachten diese Politiken jedoch keine bedeutenden Wachstumsimpulse, andererseits aber eine erhebliche Schwächung der marginalisierten Gruppen der Gesellschaft durch Kürzung nichtmonetärer Leistungen in Bereichen wie Bildung und Gesundheit sowie gleichzeitigen Preiserhöhungen für öffentliche Dienstleistungen wie öffentlichen Nahverkehr, Strom oder Gas. Kürzungen, die zu Volksaufständen in Venezuela, Argentinien, Bolivien, Ecuador und anderen Staaten führten, in deren Folge ab 1998 linke und progressive Bewegungen Oberhand gewannen und sukzessive Präsidentschafts- und Parlamentswahlen gewannen, in deren Folge neue Verfassungen erarbeitet, sozialstaatliche Strukturen aufgebaut und die regionale und internationale Bündnispolitik auf neue Füße gestellt wurden.

Bedingung für den Erfolg dieser Maßnahmen war allerdings nicht nur die Wiedereinführung der Demokratie: wesentliche Faktoren waren die Konzentration der USA auf die Kriege in Afghanistan und dem Irak, eine Änderung der terms of  trade mit deutlich steigenden Rohstoffpreisen und damit ein wachsender Verteilungsspielraum sowie der Aufstieg Chinas als relevanter Handelspartner, der eine Lösung von der US-Bindung ermöglichte.

Die Bolivarianische Allianz und Petrocaribe

Als Auftakt für die neue regionale Bündnisstruktur politisch-ökonomisch-sozialer und kultureller Art lässt sich die Gründung der ALBA, der Bolivarianischen Allianz (ursprünglich: Alternative) für die Völker „unseres“ Amerika, betrachten. Die ALBA war als Bündnis zwischen Venezuela und Kuba zunächst vor allem Gegenprojekt gegen die Freihandelszone ALCA. Grundlage der Organisation ist eine Prinzipienerklärung – die zentralen Prinzipien der ALBA sind Solidarität, Komplementarität (gegenseitige Ergänzung) und Kooperation, einzusetzen zum Zweck einer ökologisch nachhaltigen, sozialen Entwicklung. Nach dem Gelingen der ersten Herausforderung, dem Scheitern der amerikanischen Freihandelszone, sind der ALBA seit 2006 sechs weitere Mitglieder beigetreten: Bolivien, Nicaragua, Dominica, Ecuador, Antigua und Barbuda sowie Saint Vincent und die Grenadinen.

Die Idee der Solidarität kommt insbesondere im Beitrag zum Abbau bestehender Asymmetrien, Bekämpfung der Armut sowie insgesamt einem starken Fokus auf soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte sowie das Recht auf Entwicklung zum Ausdruck. Einseitiger Abbau von Zollschranken gegenüber ökonomisch schwächeren Partnern wie Bolivien oder gezielter Technologie- und Wissenstransfer zum Aufbau größerer ökonomischer Selbstständigkeit sind Beispiele der so verstandenen Solidarität, aber auch groß angelegte Sozialprojekte zur Bekämpfung von Analphabetismus oder Augenkrankheiten.

Während die ALBA im Kern bislang eine politische Organisation ist, deren besondere Stärke in der Entwicklung gemeinsamer Außenpolitiken liegt, ist sie mit einer Reihe weiterer Organisationen verflochten, die teils auf Grundlage des ALBA-Selbstverständnisses parallel entstanden, teils von ihr gegründet worden sind. Eine ökonomisch für die Karibikregion wichtige Schwesterorganisation ist PetroCaribe mit 18 Mitgliedstaaten. Petrocaribe dient nicht nur dazu, den venezolanischen Nachbarstaaten über langfristige Kredite und Zahlung mit Waren- und Dienstleistungen (vor allem Öl und Ölderivate) den Energiezugang zu erleichtern, sondern insbesondere auch dem Aufbau einer regionalen öffentlichen Energieinfrastruktur, alternativer Energien und der Landwirtschaftsförderung.

Die ALBA steht mit ihrer solidarischen Ausrichtung symbolisch für eine Repolitisierung der Bündnispolitik in der Region, die seitdem deutlich über technische Zusammenarbeit und Freihandelsbündnisse hinaus geht. Sie ist damit zugleich ein antihegemoniales Bündnis, dem es gelungen ist, in der Region der vom Weltsozialforum verbreiteten Idee „Eine andere Welt ist möglich“ auch eine staatlich-internationale Plattform zu bieten. Sie steht damit zugleich für einen historischen Bruch, für die Aufkündigung des Washington Consensus in der Region.

UNASUR

Das zweite neue, regionalpolitisch bedeutende Bündnis ist die 2008 gegründete Union südamerikanischer Staaten UNASUR. Ursprünglich vor allem von Brasilien als Projekt einer gemeinsamen Freihandelszone der südamerikanischen Staaten betrieben, bekam das Projekt UNASUR durch den venezolanischen Einfluss unter Führung des Präsidenten Hugo Chávez einen stärker politischen Charakter. Am Ende eines längeren Verhandlungsprozesses wurde als Gründungsziel der Aufbau „eines Raumes der kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Integration und Union zwischen ihren Völkern, priorisierend den politischen Dialog, die Sozialpolitiken, die Bildung, die Energie, die Infrastruktur, die Finanzierung und die Umwelt, unter anderen, im Hinblick auf die Eliminierung der sozioökonomischen Ungleichheit, um soziale Inklusion und Bevölkerungspartizipation zu erreichen, die Demokratie zu stärken und die Asymmetrien im Rahmen der Stärkung der Souveränität und Unabhängigkeit der Staaten zu reduzieren“ vereinbart.

Zum Abbau der ökonomischen Asymmetrien wurde von sieben progressiv regierten Staaten der UNASUR eine gemeinsame Entwicklungsbank gegründet, um die ökonomische, soziale und ökologische Entwicklung der Mitgliedsstaaten (Art. 2 Abs. 1 der Gründungsurkunde) zu fördern. Förderung der Grundlagen der Demokratie, der Sozialstaatlichkeit und der ökonomischen Angleichung bzw. Kräftesymmetrie sind drei zentrale Achsen des Projektes. Als Alternative zur Weltbank und zur Interamerikanischen Entwicklungsbank gedacht, die beide aus Washington gesteuert werden, ist die Tätigkeit auf die UNASUR-Staaten beschränkt.

Auf der politischen Ebene hat die UNASUR nicht nur ein hochkarätig besetztes Sekretariat eingerichtet – Gründungssekretär  war der ehemalige argentinische Präsident Kirchner, auf welchen die ehemalige kolombianische Außenministerin María Emma Mejía und aktuell der ehemalige venezolanische (u.a.) Außenminister Alí Rodríguez Araque folgten. Neben dem Sekretariat sind mittlerweile zwölf MinisterInnenräte eingerichtet worden, die Austausch und Koordinierung in allen wesentlichen politischen Bereichen befördern sollen.

Im Hinblick auf das vorliegende Thema ist der Verteidigungsrat von besonderem Interesse. Die allgemeinen Ziele des Rates sind die Konsolidierung Südamerikas als Raum des Friedens, die Schaffung einer gemeinsamen Verteidigungsidentität als Beitrag zur Einheit Lateinamerikas und der Karibik, sowie die Stärkung der regionalen Kooperation im Bereich der Verteidigung (Art. 4 der Statuten des Verteidigungsrates der UNASUR). Erreicht werden soll dies durch Maßnahmen, die vom Informationsaustausch im Allgemeinen sowie in Bereichen wie der Ausbildung und humanitären Maßnahmen bis hin zur Inkorporierung einer Genderperspektive reichen (Art. 5). Für die Umsetzung dieser Aufgaben wurde bereits 2009 die Einrichtung eines Zentrums für strategische Studien beschlossen, das 2011 seine Tätigkeiten in Buenos Aires aufgenommen hat; im Mai 2013 wurde der Beschluss gefasst, eine gemeinsame Militärschule als Ausbildungszentrum der UNASUR zu gründen – ein Projekt, das in Konkurrenz zur School of the Americas tritt und dieser mittelfristig auch aus konservativer südamerikanischer Perspektive ihre Berechtigung nehmen könnte.

CELAC

Die dritte Neuerung in Richtung einer Ablösung von der US-Hegemonie ist die 2010 erfolgte Gründung der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten CELAC, wie die OAS damit als Bündnis aller Staaten der Amerikas geschaffen, allerdings mit Ausnahme der USA und Kanadas, und stattdessen mit aktiver Mitarbeit Kubas.

Die CELAC dient bislang in erster Linie als regionales Austauschforum mit noch schwacher institutioneller Basis. Die Zielsetzungen der Kooperation sind weit – zu ihnen gehören die Stärkung der Integration der Mitgliedsstaaten sowie der regionalen Organisationen, die politische, ökonomische, soziale und kulturelle Integration, Koordination des Auftretens auf internationaler Bühne sowie die Förderung von Maßnahmen der Süd-Süd-Kooperation.

Während die CELAC für die konservativ regierten Staaten lediglich ein Bündnis zur Stärkung ihrer eigenen Position sowie des Austausches darstellt, ist in ihr aus Perspektive progressiver Regionen bereits embryonenhaft eine Nachfolgeorganisation der US-dominierten OAS zu sehen. In jedem Fall stellt ihre Existenz und die Art der Koordination in Form einer Troika, wie im Fall der ehemaligen der EU-Ratspräsidentschaft mit dem Gastgeberstaat des jährlichen Gipfels in der Mitte zwischen dem letzten und nächsten Inhaberstaat der jährlichen Präsidentschaft, aufgrund der Einheit zwischen konservativen und linken Kräften eine Schwächung der US-Hegemonie dar; die erste Troika wurde entsprechend von Venezuela, Chile und Kuba gebildet.

Kampf um Hegemonie

Die drei angeführten neuen Organisationen sind Ausdruck eines Kampfes um Hegemonie in Lateinamerika. Ihrer Gründung geht die Erkenntnis voraus, dass die formale Unabhängigkeit und Souveränität in den letzten 200 Jahren weder in ökonomischer, noch in kultureller oder sozialer Hinsicht Ausdruck demokratischer Selbstbestimmung gewesen ist. Lateinamerika war Spielball internationaler Mächte, insbesondere Spaniens, Großbritanniens und später der USA, welche ihre Hegemonie über die Region oder Teile derselben mit Waffengewalt absicherten, aber im Kern politisch, ökonomisch und kulturell betrieben. Überwunden werden kann die Hegemonie also nur durch Befreiungsprozesse auf allen diesen Ebenen.

Die Integrationspolitiken weisen in diesem Sinn Kohärenz auf. Sie sind insgesamt von einer Repolitisierung geprägt, die mitunter nach außen in ihrer Härte für europäische Ohren ungewohnte Töne mit sich bringt. Nach innen handelt es sich um positive, d.h. nicht allein (negativ) aus dem Abbau von Handelsschranken bestehende Maßnahmenbündel. Alle neuen Integrationsprozesse sind auf eine soziale und kulturelle Entwicklung ausgerichtet, welche die Vielfalt der Völker und Bevölkerungen in Rechnung zu stellen versucht. Entsprechend ist die soziale Frage sehr präsent. Die Prozesse sind entsprechend auch nicht am Beispiel der EU orientiert, wie die früher gegründete Andengemeinschaft oder der Mercosur. Und allen gemeinsam ist, dass sie ohne die USA erfolgen.

Ausblick

Ein regionaler Hegemon kann eine solche Entwicklung schwerlich ohne Reaktion hinnehmen, und auch die lokalen und regionalen Eliten versuchen insbesondere in den stärker auf den Aufbau sozialstaatlicher Strukturen und Umverteilung ausgerichteten Staaten, die Entwicklung zu behindern oder umzukehren. Im schlimmsten Fall versuchen sie, wie in Venezuela 2002/2003 und Ecuador 2010 erfolglos, in Honduras 2009 und Paraguay 2012 erfolgreich, mit Staatsstreichen mehr oder weniger gewaltsam einen Regierungswechsel herbeizuführen. Unterfüttert wird die Gegenwehr mit Hilfe der in ganz Lateinamerika monopolartig organisierten Medienlandschaft, in welcher wenige Familien aus dem Zentrum der nationalen und regionalen Eliten die Presse- und Fernsehlandschaft dominieren, während staatliche und unabhängige Medien regelmäßig kaum relevante Marktanteile aufweisen. Nicht unähnlich den Strategien Rupert Murdochs oder Silvio Berlusconis, wird die Pressefreiheit hier als politisches Kampfinstrument genutzt. Zugleich wird das interamerikanische Menschenrechtssystem mit einem von den USA direkt finanzierten Sonderberichterstatter für Meinungs- und Pressefreiheit instrumentalisiert, um eine Demokratisierung der Medienlandschaft beabsichtigende Politiken zu bekämpfen.

Die Region bleibt trotz der Integrationsprozesse politisch gespalten; innerhalb und zwischen den Staaten wird ein Hegemoniekampf zwischen sozialstaatlichen Demokratisierungsprojekten und neoliberalen Gruppen ausgefochten. Im Hintergrund stehen dabei die USA, deren Einfluss auf die Region global betrachtet sinkt, in einigen Staaten aber mit Hilfe von Freihandelsabkommen und militärischen Annäherungen – wie im Falle Kolumbiens auch mit Hilfe der NATO – durchaus zuletzt jedenfalls gehalten werden konnte.

Die Integration ist der wesentliche Faktor für den Aufbau einer multipolaren Weltordnung, in welcher der Einfluss der USA und der NATO in Grenzen gehalten wird. Der chinesische Markt hat Lateinamerika für Schritte in Richtung Multipolarität und tatsächliche Unabhängigkeit Luft gegeben. Ob diese Schritte, gekennzeichnet durch Repolitisierung und Aufbau sozialstaatlicher Strukturen, letztlich erfolgreich sein werden, hängt insbesondere von der ökonomischen Nachhaltigkeit ab, wie die Schwierigkeiten in Venezuela im Frühjahr 2013 belegen. Insgesamt scheint die Region auf gutem Weg zu sein, der Kampf für Frieden und Demokratie ist aber noch nicht endgültig gewonnen.

 

  1. Pravda, John Kerry, Secretary of State: „Latin America is our back yard“, Artikel vom 23.4.2013, http://english.pravda.ru/world/americas/23-04-2013/124377-latam_backyard-0/#, besucht am 25.4.2013; El Ciudadano, John Kerry: América Latina es nuestro “patio trasero”, Artikel vom 23.4.2013, http://www.elciudadano.cl/2013/04/19/66569/john-kerry-america-latina-es-nuestro-patio-trasero/, besucht am 25.4.2013.
  2. Brief Simón Bolívars an Oberst Patrick Campbell vom 5. August 1829, abrufbar unter: http://es.wikisource.org/wiki/Carta_al_Coronel_Patricio_Campbell besucht am 20.4.2013.
  3. Eva Golinger, Una pequeña lista de intervenciones militares estadounidenses en América Latina, Artikel vom 8.3.2007, http://www.aporrea.org/tiburon/a31649.html, besucht am 23.4.2013.
  4. Ausführlich hierzu Dieter Boris, Lateinamerikas Politische Ökonomie, Hamburg 2009, 78 ff.
  5. Vgl. Boris, Fn. 4, 46 ff.
  6. The Washington Post, Reaching Human Rights Violations, Editorial vom 1.10.1996, S. A18, zitiert nach http://en.wikipedia.org/wiki/Western_Hemisphere_Institute_for_Security_Cooperation, besucht am 23.4.2013.
  7. The New York Times, School of the Dictators, Editorial vom 28.9.1996, http://www.nytimes.com/1996/09/28/opinion/school-of-the-dictators.html, besucht am 23.4.2013.
  8. School of the Americas Watch, 11 Latin American Dictators, Artikel vom 16.8.2004, http://www.soaw.org/about-the-soawhinsec/13-soawhinsec-graduates/840, besucht am 23.4.2013.
  9. School of the Americas Watch, Venezuelan Generals Backing Interim President are SOA Grads, Artikel vom 12.4.2002, http://www.soaw.org/about-the-soawhinsec/13-soawhinsec-graduates/2163, besucht am 23.4.2013.
  10. W.T. Whitney, United States adds bases in South America, Artikel vom 26.4.2012, http://peoplesworld.org/united-states-adds-bases-in-south-america/, besucht am 24.4.2013.
  11. Movimiento por la Paz, la Soberanía y la Solidaridad entre los Pueblos, Bases militares extranjeras en América Latina y el Caribe. Recuento provisorio hasta el 10 de Abril de 2012, http://www.mopassol.com.ar/archives/351, besucht am 24.4.2013.
  12. Martha Mendoza, Associated Press, US Military expands its drug war in Latin America, Artikel vom 3.2.2013, http://news.yahoo.com/us-military-expands-drug-war-latin-america-145202763.html, besucht am 24.4.2013.
  13. Gregory Wilpert, Venezuela’s Chavez Confirms Suspension of Cooperation with DEA, Artikel vom 8.8.2005, http://venezuelanalysis.com/news/1279, besucht am 24.4.2013.
  14. Tamara Pearson, Venezuela Better Off without DEA Says Vice President, Artikel vom 4.4.2009, http://venezuelanalysis.com/news/4350, besucht am 24.4.2013.
  15. Eva Golinger, Washington Plans New Military Bases in Brazil and Peru to Contain Venezuela, Artikel vom 8.4.2010, http://english.pravda.ru/hotspots/conflicts/08-04-2010/112941-washington_plans_new_bases_braz-0/, besucht am 24.4.2013.
  16. Tratado Interamericano de Asistencia Recíproca (TIAR) bzw. Inter-American Treaty of Reciprocal Assistance oder Rio-Pakt.
  17. Jorge Domínguez, Argentina, NATO´s South Atlantic Partner, http://www.nato.int/docu/review/1999/9901-02.htm, besucht am 25.6.2013.
  18. José Luis Calvo, La OTAN y el reto de Afganistán, Setenta años de la OTAN, ¿Hacia una nueva estrategia? Centro de Estudios de la Defensa Nacional, España, S. 85-133, und El Espectador, Artikel vom 16.04.2010, http://www.elespectador.com/noticias/judicial/articulo198611-junio-parte-contingente-colombiano-afganistan besucht am 15.07.2013.
  19. RCN Noticias, Militares experimentados aceptan trabajo de mercenarios, Artikel vom 18.03.2010,
  20. http://www.canalrcnmsn.com/noticias/militares_experimentados_aceptan_trabajo_de_mercenarios_en_pa%C3%ADses_%C3%A1rabes besucht am 16.07.2013.
  21. La semana, Artikel vom 03.06.2013, http://www.semana.com/nacion/articulo/controversia-propuesta-santos-entrar-otan/345309-3 besucht am 15.07.2013.
  22. Evo Morales, La República, Artikel vom 03.06.2013, http://www.larepublica.pe/03-06-2013/evo-morales-califico-de-amenaza-acercamiento-de-colombia-con-la-otan besucht am 16.07.2013.
  23. Adriaan Alsema, Colombia signs cooperation agreement with NATO, Artikel vom 25.62013, http://colombiareports.com/colombia-signs-cooperation-agreement-with-nato, besucht am 25.6.2013.
  24. Vgl. Boris, Fn. 4, S. 67 ff.
  25. Boris, Fn. 4, S. 91 ff.
  26. Vgl. Boris, Fn. 4, S. 79.
  27. Gemeinsame Erklärung vom 14. Dezember 2004, http://alianzabolivariana.org/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=2060, besucht am 14.6.2013.
  28. Acuerdo para la aplicación de la Alernativa Bolivariana para los pueblos de nuestra América y el Tratado de Comercio de los Pueblos vom 29.4.2006, http://www.alianzabolivariana.org/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=516, besucht am 14.6.2013.
  29. Petrocaribe, http://www.petrocaribe.org, besucht am 14.6.2013.
  30. Gründungsvertrag, http://www.unasursg.org/inicio/organizacion/historia, besucht am 14.6.2013.
  31. UNASUR, http://www.unasursg.org/inicio/documentos/consejos/consejo-de-defensa-suramericano/estatuto, besucht am 17.6.2013.
  32. vgl. Centro de estudios estratégicos de derefensa, http://www.ceedcds.org.ar/, besucht am 17.6.2013.
  33. AVN, Artikel 29.05.2013, http://www.avn.info.ve/contenido/unasur-crear%C3%A1-primera-escuela-suramericana-defensa, besucht am 17.6.2013.
  34. Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños.
  35. CELAC, http://www.celac.gob.ve/index.php?option=com_content&view=article&id=15&Itemid=10&lang=es, besucht am 17.6.2013.

Quelle: Online-Zeitung Schattenblick, www.schattenblick.de