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Terrorismus und Anti-Terrorismus

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Foto: © 2013 by Schattenblick – www.schattenblick.de

Dr. Dieter Deiseroth

Zur rechtlichen Relevanz von
Terrorismus und Anti-Terrorismus für die NATO

Einführungsbeitrag (Power-Point-Langfassung)
zur Tagung „Quo vadis NATO? – Herausforderungen für Demokratie und Recht“
am 27.4.2013

Gliederung:

A. NATO-Aufgaben und Strategien

B. Typologie des Terrorismus

C. US-War on Terror – Internationale Ebene

D. NATO-Bündnisfall 2./4.10.2001 

E. Umbau des innerstaatlichen Rechts in den USA und anderen NATO-Staaten („innere Sicherheit“)

F. Gab und gibt es Alternativen? 

 


A. NATO-Aufgaben und Strategien

I. Aufgaben der NATO bis 1990/91

Die De-facto-Hauptaufgaben der NATO waren bis zum Ende des Kalten Krieges (so in einem zugespitzten, aber aussagekräftigen Bonmot der frühere NATO-Generalsekretär Lord Ismay): to keep

  • the Russians out
  • the Germans down 
  • the Americans in (vgl. auch Brzezinski 2007: durch die NATO bleiben die „USA ein entscheidender Teilnehmer in den innereuropäischen Angelegenheiten“ )

Mit dem Ende des Kalten Krieges 1990/91 war die Gründungsaufgabe der NATO entfallen, der Haupt-Gegner abhanden gekommen. Obwohl sich der Warschauer Pakt mit seiner Hegemonialmacht Sowjetunion auflöste, folgte dem nicht die an sich logisch gebotene spiegelbildliche Konsequenz der Auflösung auch der NATO.

Und dies, obwohl die jahrzehntelange Rechtfertigung des NATO-Bündnisses entfallen war, im Ost-West-Konflikt für Abschreckung vor einem kommunistischen Angriff durch ein „Gleichgewicht des Schreckens“ zu sorgen und damit einen konventionellen oder gar thermo-nuklearen Krieg zu verhindern. Vom notwendigen „Gleichgewicht“ als Rechtfertigung der eigenen Existenz war nun nicht mehr die Rede.

 


II. Neue Aufgaben der NATO seit 1991

    • Schon seit den frühen 1990er Jahren nach dem Ende des Kalten Krieges suchte die NATO nach neuen Aufgaben. Seit dem NATO-Gipfel in Rom 1991 wurden diese nunmehr wie folgt definiert:
    • Bestätigung der traditionellen Aufgabe, weiterhin als transatlantisches Bindeglied zwischen USA und Europa zu fungieren („to keep the Americans in“)
    • Stabilität bei der Auflösung der ehem. Staaten der Sowjetunion zu sichern („Krisenmanagement“)
    • die Erweiterung der NATO durch neue Mitglieder und flankierende „Partnerschafts-Abkommen“ zu organisieren („Russland eindämmen“)
    • militärische Kapazitäten für „humanitäre Interventionen“ außerhalb des NATO-Gebiets aufzubauen („out of area or out of business“); wenn möglich mit, wenn nötig ohne UNO
    • die Balkan-Region („vor der Haustür“) zu stabilisieren und neu zu ordnen
    • Schurkenstaaten“ (insbes. Irak, Libyen, Syrien, Iran, Nordkorea) einzudämmen und zu bekämpfen mit dem Ziel eines „Systemwechsels“

 


Noch II.: neue Aufgaben der NATO seit 1991

  • seit Gipfel Washington 1999: Gefahren des Terrorismus zu begegnen; nach 9/11: Beteiligung am „war on terror
  • den ungehinderten globalen Zugang zu Ressourcen (Öl, Rohstoffe etc.) sowie Verkehrs- und Handelswege zu sichern (seit 2001/2002 „Operation Active Endeavor“: Schiffahrtsrouten insbes. im Mittelmehr pp.)
  • sich den Herausforderungen von Cyberwar defensiv und eigenaktiv zu stellen.

Dies war ein längerer Prozess mit unterschiedlichen Phasen und unterschiedlichen Begründungsstrategien.

Heute ist die NATO zu einem weltweit operationsfähigen Einsatz- und Interventionsbündnis umgebaut. Das gilt auch für die Bundeswehr, die in diesem Prozess aktiv involviert ist. „Kampf gegen Terror“ ist heute eine der zentralen Aufgaben.

 


Dokument: Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt zur Neuausrichtung der NATO nach 1991

„In Wirklichkeit ist sie (= die NATO) überflüssig. Man muss dabei deutlich unterscheiden zwischen dem Bündnis der nordatlantischen Staaten, dem Nordatlantikpakt – den würde ich jedenfalls aufrechterhalten wollen für die nähere Zukunft.

Etwas anderes ist die Nordatlantische Vertragsorganisation, dieser Riesenkrake von Bürokratie, teils militärisch, teils zusammengesetzt aus Diplomaten und Tausenden von Hilfskräften.

Die waren eine Reihe von Jahren verzweifelt auf der Suche nach einem Feind. Jetzt haben sie eine ganz große Aufgabe gefunden: Afghanistan. In Wirklichkeit ist diese Organisation nicht notwendig. Objektiv gesehen handelt es sich heute um ein Instrument der amerikanischen Außenpolitik, der amerikanischen Weltstrategie.“

Quelle: Interview „Miles to go before I sleep. Bilanz zweier Leben: Rückblick und Ausblick, in: Theo Sommer, Unser Schmidt. Der Staatsmann und Publizist, 2011, S. 351 ff. (371)

Die von H. Schmidt so bezeichnet „neue Aufgabe“ „Afghanistan“ heißt seit 2001 US-amerikanisch: „War on Terror“

 


III. Anti-Terrorismus als Aufgabe der NATO – Umsetzungsschwerpunkte

  • Geänderte Militärdoktrin (Strategie-Dokument Lissabon 2010 und Gipfel-Dokument Washington 2012)
  • Streitkräfte-Umgliederung
  • Ausbau globaler Verlege- und Dislozierungskapazitäten
  • Umbau der Bewaffnung und Ausrüstung
  • spez. Rüstungsprogramme: „Defence against Terrorism Program at Work (DAT POW)“ seit 2004
  • FuE-Programm „Science for Peace and Security“: Schwerpunktbereich „Verteidigung gegen Terrorismus“
  • NATO-„Center for Excellence – Defence against Terrorism (CoEDaT) in Ankara

Dokument: NATO-Gipfel im Mai 2012 in Chicago – Ziffer 51:

„Terrorismus kann in keiner seiner Erscheinungsformen jemals hingenommen oder gerechtfertigt werden. Wir bedauern alle Verluste an Menschenleben aufgrund terroristischer Handlungen und sprechen den Opfern unsere Anteilnahme aus. Wir bekräftigen unser Bekenntnis, den Terrorismus mit unerschütterlicher Entschlossenheit im Einklang mit dem Völkerrecht und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zu bekämpfen.

Heute haben wir die Politischen Leitlinien der NATO zur Terrorismusbekämpfung verabschiedet und den Rat beauftragt, einen Aktionsplan vorzubereiten, um die Fähigkeit der NATO, Terrorismus zu verhindern, davor abzuschrecken und darauf zu reagieren, weiter auszubauen, und zwar, indem – Initiativen zur Verbesserung unseres Gefahrenbewusstseins, unserer Fähigkeiten und unseres Engagements identifiziert werden.“

 


B. Zur Typologie des Terrorismus (fünf Grundtypen)

I. Nationalistisch-separatistischer Terrorismus (z.B. zionistischer Terrorismus <Menachem Begin u.a.> in Palästina vor 1948; Südtiroler Terrorismus in den 1950er und 1960er Jahren; IRA in Irland; Tamil Tigers (LTTE) in Sri Lanka; Hezbollah im Libanon; ETA in Spanien)

II. Terrorismus als Bestandteil bewaffneter Konflikte von Aufständischen (Befreiungsbewegungen) gegen Kolonialismus und autoritäre Unterdrückungsregime (z.B. Nelson Mandela und ANC in Südafrika; Che Guevara und Aufständische in Südamerika)

III. Ökonomischer Terrorismus (z.B. Lord‘s Resistance Army in Uganda; Revolutionary United Front in Sierra Leone)

 


Noch: B. Zur Typologie des Terrorismus

IV. Ideologischer Terrorismus 

  1. Sozialrevolutionärer T. (z.B. anarchistische und bolschewistische Anschläge im Zarenreich; Sendero Luminoso und MRTA in Peru; RAF in Deutschland; Brigate Rosse in Italien)
  2. Rechtsterrorismus (z.B. Ku-Klux-Klan; Wehrsportgruppe Hoffmann; NSU)
  3. Religiös-fundamentalistischer T. (z.B. Anschläge von Evangelikalen auf Abtreibungskliniken; Anschläge von Aum-Shinrikyo in Japan, von Sikh-Fundamentalisten in Indien und Pakistan etc.)
  4. Radikal-islamistischer „antiwestlicher“ Terrorismus (z.B. Al-Qaida u.a.)
  5. Noch B.: Zur Typologie des Terrorismus

 


Noch: B. Zur Typologie des Terrorismus
V. Staatsterrorismus 

1. Terroristische Aktionen gegen die Zivilbevölkerung im Rahmen der Kriegsführung (z.B. Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki; Flächenbombardements im Vietnam-Krieg; terroristische  Raketenangriffe aus dem Gaza-Streifen  auf israelische Wohnhäuser bei Unterstützung und Duldung durch die Hamas-Regierung; russische Kriegsführung gegen Städte und Ortschaften in Tschetschenien )

2. Staatsstreich/Coup d‘état: z.B. von Belgien und den USA gestützter Staatsstreich in Zaire/Kongo mit nachfolgender Ermordung des demokratisch gewählten Präsidenten Patrice Lumumba am 17. 1.1961 unter belgischem Kommando; Staatsstreich der Obristen mit US/NATO-Hilfe in Griechenland 1967; Zerschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 durch Militär und Geheimdienste der Sowjetunion und des Warschauer Paktes mit militärischen und terroristischen Maßnahmen; gewaltsamer Sturz der Allende-Regierung am 11.9.1973 in Chile unter aktiver Beteiligung von CIA und anderen US-Stellen mit zehntausenden Toten)

3. Undercover-Aktionen von staatlichen Geheimdiensten

 z.B. GLADIO/Stay-behind-Aktionen im Rahmen der NATO; Zusammenarbeit von CIA und anderen Geheimdiensten bei Anschlägen der „Brigate Rosse“; Unterstützung von RAF-Terrorismus durch den KGB und die Stasi; Vorbereitung eines vorgetäuschten kubanischen Angriffs auf ein Zivilflugzeug im Rahmen der Aktion Northorpe <von Präsident Kennedy 1962 gestoppt>; „Sonderaktionen“ des KGB in verschiedenen NATO-Staaten (z.B. „SWENO“; „EDDING“; „WOSTOK“; „FOOT“); Ermordung des afghan. Präsidenten Hafisullah Amin im Dez. 1978; Vortäuschung eines terroristischen Anschlages auf ein Celler Gefängnis durch den nds. Verfassungsschutz im Rahmen der Aktion „Feuerzauber“ im Jahre 1978 („Celler Loch“); Verstrickungen von dt. Geheimdienststellen in Aktionen der RAF; mögliche Verbindung von deutschen Geheimdienststellen mit NSU-Terroristen)

 


Noch: B. Zur Typologie des Terrorismus

Dokument: Europa-Parlament: ENTSCHLIESSUNG zur Gladio-Affäre
– B3-2021, 2058, 2068, 2078 und 2087/90
Quelle: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 324 vom 24. Dezember 1990, S. 201

Das Europäische Parlament,

  • in der Erwägung der Eröffnung mehrerer europäischer Regierungen, daß seit vierzig Jahren in mehreren Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eine geheime Organisation für Nachrichtenübermittlung und bewaffnete Aktionen existiert,
  • in der Erwägung, daß diese Organisation sich seit mehr als vierzig Jahren jeglicher demokratischer Kontrolle entziehen konnte und daß sie von den Geheimdiensten der betreffenden Staaten in Zusammenarbeit mit der NATO geleitet wurde,
  • besorgt über die Gefahr, daß diese Geheimnetze illegal in das politische Leben der Mitgliedstaaten eingreifen konnten bzw. heute noch eingreifen können,
  • unter Hinweis ferner darauf, daß militärische Geheimdienste (oder von den Diensten nicht kontrollierte Geheimdienstzweige) in bestimmten Mitgliedsländern mit schwerwiegenden Terrorakten und Verbrechen in Verbindung gebracht werden, wie in mehreren gerichtlichen Ermittlungen erwiesen werden konnte,
  • in der Erwägung, daß derartige Organisationen außerhalb jeglicher Legalität operiert haben und operieren, da keinerlei parlamentarische Kontrolle über sie ausgeübt werden kann, und daß ferner die höchsten Regierungs- und Verfassungspersönlichkeiten der verschiedenen Länder mehrfach behauptet haben, sie seien über diese Vorgänge nicht informiert,
  • in der Erwägung, daß sich die verschiedenen Abteilungen von „GLADIO“ aus militärischen Arsenalen und Strukturen versorgen, die autonom sind und somit eine unbekannte und für die demokratischen Strukturen der Länder, in denen sie operieren oder operiert haben, gefährliche Angriffskapazität beinhalten,
  • höchst beunruhigt darüber, daß zu einem Zeitpunkt, an dem nachdrücklich eine Verstärkung der Gemeinschaftszusammenarbeit im Sicherheitsbereich befürwortet wird, Entscheidungszentren und Einsatzgruppen auftauchen, die jeglicher demokratischer Kontrolle entzogen und darüber hinaus noch geheim sind,

 


Noch: Europa-Parlament: ENTSCHLIESSUNG zur Gladio-Affäre

  • verurteilt die Einrichtung von geheimen Organisationen zwecks Einflußnahme und Durchführung von Aktionen, und fordert daß Charakter, Organisation, Zweck und sonstige Aspekte dieser Geheimstrukturen, sowie eventuelle Mißbräuche, und ihre Nutzung für illegale Eingriffe in das innenpolitische Leben der betroffenen Länder voll aufgeklärt werden, was auch für die Terroraktivität in Europa und die eventuelle Komplizenschaft der Geheimdienste der Mitgliedstaaten oder dritter Länder gilt;
  • protestieren entschieden dagegen, daß sich bestimmte amerikanische Militärkreise des SHAPE und der NATO das Recht angemaßt haben, in Europa eine geheime Infrastruktur zur Übermittlung von Nachrichten und Durchführung von Aktionen zu schaffen;
  • fordert von den Regierungen der Mitgliedstaaten die Auflösung aller militärischen und paramilitärischen Geheimstrukturen;
  • fordert die Justizbehörden der Länder, in denen solche militärischen Einheiten existieren, auf, deren reale Existenz und Tätigkeit aufzuklären, und fordert die Richter auf, insbesondere zu prüfen, welche Rolle sie gegebenenfalls bei der Destabilisierung der demokratischen Strukturen der Mitgliedstaaten gespielt haben;
  • fordert die Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, gegebenenfalls im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, um eine komplette Bestandsaufnahme der auf diesem Gebiet tätigen Organisationen zu erstellen, gleichzeitig ihre Verbindung zu den jeweiligen Geheimdiensten und zu den terroristischen Aktionsgruppen und/oder ihre Affinität mit anderen illegalen Praktiken zu überprüfen;
  • fordert den Ministerrat auf, ausführlich Informationen über die Arbeitsweise dieser geheimen Nachrichtendienste und Aktionsgruppen zu erteilen;
  • fordert seinen Politischen Ausschuß auf, die Zweckmäßigkeit von Abhörungen zur Klärung der Rolle und der Tragweite des Unternehmens „Gladio“ und etwaiger ähnlicher Strukturen zu prüfen;
  • beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, dem Generalsekretär der NATO sowie den Regierungen der Mitgliedstaaten und der Vereinigten Staaten zu übermitteln.

 


Grundmerkmale des Terrorismus

Der Terrorismusbegriff ist in der politischen wie in der rechts- und sozialwissenschaftlichen Diskussion nach wie vor umstritten. Dennoch lassen sich folgende Grundmerkmale herausarbeiten, die etwa im Rahmenbeschluss des Rates der EU vom 13.6.2002 zur Terrorismusbekämpfung (Abl. L 164, S. 3) und in der Rechtsprechung Niederschlag gefunden haben.

Mittel

Strafbare Anwendung von Waffengewalt erheblicher Intensität oder gleichartiger Mittel gegen Menschen oder Sachgüter

Zwecke

Anschläge zur Erreichung politischer Zwecke; intentional auf Erzeugung von Angst und Schrecken in der Bevölkerung (über den Opferkreis hinaus) gerichtet, um eine Regierung, staatliche Behörden und Entscheidungsträger oder eine internationalen Organisation zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen

Wirkungen

Tötung von Menschen oder schwere Gesundheits- oder schwere Sachbeschädigungen oder Beeinträchtigung der Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation

Kontrovers: Einbeziehung von Staats-Terrorismus und von anti-kolonialen Befreiungsbewegungen

 


Dokument: Helmut Schmidt im Interview mit der „Zeit“ vom 30.8.2007:

„Ich habe den Verdacht, dass sich alle Terrorismen, egal, ob die deutsche RAF, die italienischen Brigate Rosse, die Franzosen. Iren, Spanier oder Araber, in ihrer Menschenverachtung wenig nehmen. Sie werden übertroffen von bestimmten Formen von Staatsterrorismus. … Belassen wir es dabei. Aber ich meine wirklich, was ich sage.“

Interviewer: Chefredakteur Giovanni di Lorenzo

 


Terrorismus in Zahlen

Todesopfer global 1998 – 2007

 


Relationen:
Terrortote und Hungertote

  • Die Zahl der Opfer von Terrorismus liegt jährlich weltweit bei ca. 3000 – 5000 Menschen, – abgesehen von den Jahren 2003 bis 2005 im Gefolge des Irak-Krieges, in dessen Verlauf und Folge es allein zu knapp 4000 jährlichen Opfern terroristischer Anschläge kam.
  • Terroristische Anschläge richten sich gegen die Menschenrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit, die in völkerrechtlichen Abkommen und nationalen Verfassungen verankert sind. Sie sind schwere Straftaten, für die es keine Rechtfertigung gibt. Die Tatverdächtigen müssen verfolgt, dingfest gemacht und in rechtsstaatlichen Verfahren zur Verantwortung gezogen werden.
  • Das Recht auf angemessene Ernährung ist in Artikel 11 des UN-Sozialpakt (Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte) völkerrechtlich garantiert. Das Recht auf „ausreichende Ernährung“ findet sich dort in Artikel 11, Absatz 1 als Teil des Rechts auf angemessenen Lebensstandard. Es umfasst das „grundlegende(s) Recht eines jeden, vor Hunger geschützt zu sein“. Es ist außerdem enthalten in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Im Allgemeinen Kommentar Nr. 12 des Sozialausschusses der Vereinten Nationen heißt es: „Das Recht auf angemessene Nahrung ist dann verwirklicht, wenn jeder Mann, jede Frau und jedes Kind, einzeln oder gemeinsam mit anderen, jederzeit physisch und wirtschaftlich Zugang zu angemessener Nahrung oder Mitteln zu ihrer Beschaffung haben.“
  • Nach den Schätzungen der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO gibt es gegenwärtig weltweit 1 Milliarde Hungernde und über 24.000 Hungertote pro Tag, also knapp 9 Millionen Menschen pro Jahr; die neuesten Zahlen der FAO liegen noch deutlich darüber bei ca. 50.000 Hungertoden pro Tag. Diese knapp 9 bzw. 18 Millionen Hungertoten übertreffen damit um ein Vielfaches die jährlichen 3000 – 5000 Todesopfer von terroristischen Anschlägen.
  • Weltweit werden 1,7 Billionen US-Dollar für Rüstung ausgegeben, davon ca. 74 % von den NATO-Staaten. Zur Beseitigung von Hunger und Unterernährung würde ein relativ kleiner Bruchteil dieses Betrages ausreichen.

 


C. US-War on Terror – internationale Ebene

Anti-Terrorismus als Rechtfertigung für unilaterale Militäraktionen der USA 

1. Militärschläge gegen Afghanistan seit 7.10.2001

Rechtl. Probleme:

Verstoß gegen Art. 2 Ziff. 3 UN-Charta (statt Strafverfolgung und Auslieferungsbemühen gegen Tatverdächtige)?

Verstoß gegen Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta oder lag der Ausnahmetatbestand des Art. 51 UN-Charta vor?

Selbstverteidigung gegen bewaffneten, noch andauernden oder erneut drohenden Angriff?

Zuordnung der terroristischen Anschläge zum angegriffenen Staat Afghanistan?

Ohne UN nur bis zum Ergreifen der notwendigen Maßnahmen der UN?)

– Militärische Kooperation mit maßgeblichen Akteuren der Nordallianz, die der Begehung von Kriegsverbrechen und Mordtaten verdächtig waren

2. Militärische Aktionen gegen Drittstaaten (Pakistan u.a.)

 


Rechtl. Probleme: Nichtachtung der territorialen Integrität

noch: C. US-War on Terror – internationale Ebene

II. Anti-Terrorismus als Rechtfertigung der militärischen Besetzung Afghanistans durch US-Militär und US-Specialforces

III. Anti-Terrorismus als Legitimation für die UN-mandatierte ISAF

Rechtsgrundlage: 

UN-Sicherheitsratsbeschlüsse auf der Basis von Art. 39 und 42 UN-Charta (mit Zustimmung Russlands u. Chinas aus innerstaatlichem Eigeninteresse) liegen vor

2. Rechtliche Probleme:

  • Legitimationsdefizite der den UN-Beschlüssen zugrunde liegenden Vereinbarungen der „Petersberg-Konferenz“
  • Nur von den USA und ihren Verbündeten handverlesene Afghanen als „Vertreter Afghanistans“ auf der Petersberg-Konferenz
  • Installierung des US-Kandidaten Karsai als Präsidenten ohne Beteiligung der afghan. Zivilgesellschaft
  • gravierende Defizite bei der Wahl der Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung und bei der Verabschiedung der Verfassung;
  • Korruptionsgeflechte des Karsai-Regimes

 


noch: C. US-War on Terror – internationale Ebene

noch III. Anti-Terrorismus als Legitimation für die UN-mandatierte ISAF

(Fortsetzung) rechtliche Probleme von ISAF:

  • keine hinreichende Trennung der UN-mandatierten ISAF von den Strukturen und Aktionen der US-geführten, sich auf Art. 51 UN-Charta berufenden „Operation Enduring Freedom“
  • Verstöße gegen Humanitäres Völkerrecht (große Zahl von zivilen Opfern militärischer Aktionen; teilweise trotz scharfer Proteste des Karsai-Regimes)
  • Förderung der organisierten Rauschgift-Kriminalität (Vervielfachung seit Taliban): keine ernsthaften Maßnahmen gegen großflächige Opiumwirtschaft (Landwirtschaft; Vertrieb; illegale Geldgeschäfte) und Export nach Europa u.US

 


noch: C. US-War on Terror – internationale Ebene

IV. Anti-Terrorismus als Rechtfertigung für spezifischen Umgang mit Terrorismus-Verdächtigen in Afghanistan und global

Gewaltsame Verschleppungen in Internierungslager und unbegrenzte Internierung vor Ort (Afghanistan, Pakistan)

Rechtl. Probleme:

  • Humanitäres Völkerrecht (Umgang mit Kriegsgefangenen; Umgang mit nicht-militärischen Kämpfern)
  • Verstöße gegen das Folterverbot bei Verhören
  • Nichtachtung der Territorialhoheit von Afghanistan und Pakistan
  • Guantanamo („waterboarding“ und andere Folter; kein gerichtlicher Rechtsschutz; unbegrenzte Dauer); im Wahlkampf versprochene Auflösung konnte Barack Obama innenpolitisch nicht durchsetzen

Rechtl. Probleme: 

  • völkerrechtlicher Status von Guantanamo-Base (gewaltsam aufgezwungener kolonialer Pachtvertrag von 1903 )
  • Humanitäres Völkerrecht (Genfer Konventionen) zum Umgang mit Kriegsgefangenen)
  • völkerrechtl. Folterverbot
  • Gewährleistungen der US-Verfassung („habeas corpus“; „due process“)

noch: C. US-War on Terror – internationale Ebene

 


V. Anti-Terrorismus als Rechtfertigung von Verschleppungen und Reditions

1. Gewaltsame Verbringung in US-Gefängnisse ( nach Regierungsdokumenten kamen dort während der Folterverhöre rund 100 Menschen ums Leben)

Rechtl. Probleme:

  • Folterverbot
  • Verfassungs- und völkerrechtl. Schutz des Rechts auf Leben und Gesundheit

2. Renditions-Aktionen (Terrorismusverdächtige per CIA-Flüge in geheime Lager zu unkontrollierten Verhören, auch über Air Base Ramstein)

Rechtl. Probleme:

  • Humanitäres Völkerrecht
  • Missachtung der Territorialhoheit der Länder, die für den Transsit im Rahmen der Renditions-Akten genutzt wurden (z.B. Ramstein-Air-Base als Zwischenlandestation)
  • Folterverbot

Grenzen der Demokratie:

  • Missachtung der Aufklärungsbemühungen des Europarats, des EP
  • Abblocken von Anfragen in den nationalen Parlamenten

 


noch: C. US-War on Terror – internationale Ebene

VI. Anti-Terrorismus als Rechtfertigung von Targeted Killing

Rechtliche Probleme:

  • Humanitäres Völkerrecht
  • Unterscheidung Kombattanten – Nicht-Kombattanten
  • Unterscheidung Zivilpersonen von unmittelbar an Kampfeinsatz beteiligten Zivilisten
  • Menschenrechte
  • bloßer Verdacht genügt für Vernichtung von Leben
  • Todesstrafe ohne Gerichtsverfahren
  • Keine gerichtliche Kontrolle
  • Demokratie: keine Transparenz, kein hinreichender Zugang einer krit. Öffentlichkeit

 


D. Anti-Terrorismus als Rechtfertigung des Beschlusses
vom 2./4.10.2001 zum NATO-Bündnisfalles

Rechtliche Voraussetzungen nach Art. 51 UN-Charta und Art. 5 NATO-Vertrag?

Probleme des Fact-finding

2.10.2001: Briefing des NATO-Rates über die Hintergründe von 9/11 durch Ambassador Frank Taylor (Coordinator for Counter Terrorism im US-State Department, durch den stellv. US-Außenminister Richard Armitage („Project for the New America Century“ – „We need a New Pearl Harbor“) und durch den stellv. US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz

Anschließend noch am 2.10.2001: erste Beschlussfassung des NATO-Rates über Bündnisfall; Text nicht publiziert; Bekanntgabe durch NATO-Generalsekretär Robertson: „On the basis of this briefing, it has now been determined that the attack against the US on 11 September was directed from abroad and shall therefore be regarded as an action covered by Art. 5 of the Washington Treaty“

 


E. Anti-Terrorismus als Begründung des Umbaus des innerstaatlichen Rechts in den USA und anderen NATO-Staaten („innere Sicherheit“)

. Rechtsveränderungen in den USA (Auswahl)

Homeland-Security Act vom 25.11.2002

Authorization for Use of Military Force
vom 18.9.2001 durch den US-Kongress 

II.  Rechtsveränderungen im Verhältnis USA – EU

u.a. Rechtshilfe- und Auslieferungsabkommen vom 25.6.2003

III. Rechtsveränderungen in Deutschland

Terroristische Straftaten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterliegen nach §§ 1, 7 des Völkerstrafgesetzbuches dem Weltrechtsprinzip

Neue Straftatbestände § 129a und § 129b StGB für terroristische Vereinigungen

Anti-Terrorpaket I

Anti-Terrorpaket II

Maßnahmen gegen die Finanzierungsquellen des Terrorismus (Geldwäschebekämpfung pp.)

IV. Resümee der „International Commission of Jurists“

Report vom 2.3.2009:

„In the course of this inquiry, we have been shocked by the extent of the damage done over the past seven years by excessive or abusive counter-terrorism measures in a wide range of countries around the world. Many governments, ignoring the lessons of history, have allowed themselves to be rushed into hasty responses to terrorism that have undermined cherished values and violated human rights. The result is a serious threat to the integrity of the international human rights legal framework. (Press Release, ICJ, Report: Leading Jurists Call for Urgent Steps to Restore Human Rights in Efforts to Counter Terrorism (Feb. 16, 2009)

Quelle: http://www.loc.gov/lawweb/servlet/lloc_news?disp3_l205401052_text

 


F. Gab und gibt es Alternativen?
Ansatzpunkte für die Bekämpfung von Terrorismus
(Vorschläge aus dem Bereich der Sozialwissenschaften)

. Prävention: reducing proneness to terrorism

  • Öffentliche Thematisierung und globale Bekämpfung von Hunger, Armut und sozialer Ungerechtigkeit
  • Spezielle Programme zur Eingliederung vor allem sozial-deklassierter gewaltbereiter junger Männer
  • Förderung der Empathie mit Opfern von Terrorismus und Repression
  • Uneingeschränkte Anerkennung des Anspruchs auf Achtung und Wahrung der Würde jedes Menschen (auch von Terroristen)
  • Thematisierung von fehlenden demokratischen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten in autoritären Staaten und Verzicht auf Stärkung deren Unterdrückungspotenziale (Militär, Waffenexporte, Geheimdienste, Polizei pp.)
  • Verstärkte Bemühung um Beseitigung der sozialen, ökonomischen, ethnischen, religiösen Konflikte, die terroristischen Aktionen zugrunde liegen (z.B. im Irak, in Palästina/Israel, Kashmir

Aufklärung und Überzeugungsbildung: reducing motivation and recruitment

  • Verzicht auf „double standards“
  • Strikte Orientierung am geltenden Völkerrecht und an den Grund- und Menschenrechten
  • Werben für die politische Lösung von Konflikten an Stelle von Gewalt und Repression
  • Überzeugen von Unterstützerkreisen, dass nicht-terroristische Alternativen effektiver als terroristische Aktionen sind
  • Angebote und spezielle Programme zum Ausstieg aus terroristischen Zirkeln

 


Noch F.: Gab und gibt es Alternativen?

Reduzierung der Verwundbarkeit möglicher Ziele 

  • Verstärkte Schutzmaßnahmen (z.B. Luftverkehr; Atomkraftwerke; Industrieanlagen; Großveranstaltungen etc.)
  • Maßnahmen gegen die Logistik von terroristischen Akteuren (Finanzen, Waffen, Mobilität)

Polizeiliche und strafrechtliche Maßnahmen

  • Aufbrechen terroristischer Netzwerke und Festsetzung/Arretierung von Aktivisten mit polizeilichen Mitteln
  • Verzicht auf die Tötung von Verdächtigen außerhalb rechtsstaatlicher Verfahren
  • uneingeschränkte Gewährleistung des Folterverbots
  • Rechtsstaatliche Strafverfahren mit effektiven Verteidigungsrechten der Angeklagten
  • Strikte Wahrung der Grundrechte;
  • Effektiver Rechtsschutz gegen staatliche und internationale Verfolgungsmaßnahmen

V. Koordination nationaler und internationaler Gegenmaßnahmen

  • Informationsaustausch zwischen nationalen Stellen auf internationaler Ebene
  • Effektive Rechtshilfe
  • Verbesserung des Auslieferungsrechts
  • Anerkennung des Primats und der Pflicht zur uneingeschränkten Beachtung des Völkerrechts
  • Bedingungslose Achtung der Grund- und Menschenrechte

Quelle: Online-Zeitung Schattenblick, www.schattenblick.de