Interview mit Prof. Bill Bowring
INTERVIEW/176: Quo vadis NATO? – Empire exklusiv – Bill Bowring im Gespräch (SB)
Interview mit Prof. Bill Bowring am 27. April 2013 in Bremen
Prof. Bill Bowring lehrt Rechtswissenschaften am Birckbeck College der Universität London mit den Schwerpunkten Menschenrechte, Öffentliches Internationales Recht und Minderheitenrechte. Er ist praktizierender Anwalt am Europäischen Menschrechtsgerichtshof (EGMR). Zudem fungiert er als Vorsitzender des Leitungskomitees des European Human Rights Advocacy Center (EHRAC), für dessen Gründung er verantwortlich zeichnet, und ist Mitglied anderer berufsständischer Organisationen und Menschenrechtsinitiativen. Am Rande des Kongresses „Quo vadis NATO? – Herausforderungen für Recht und Demokratie“ beantwortete er dem Schattenblick einige Fragen.
Bill Bowring: 2003 haben wir das European Human Rights Advocacy Center (EHRAC) gegründet. Wir arbeiten mit der größten Menschenrechtsorganisation in Rußland zusammen und kümmern uns um eine ganze Reihe von Fällen. Derzeit haben wir in Strasbourg etwa 400 Fälle gegen Rußland anhängig und beschäftigen dort zwölf Leute. Seit den 80er Jahren bin ich zudem in einer Organisation aktiv, die es so nur in England gibt, der Haldane Society of Socialist Lawyers [1]. Wir haben etwa 500 Mitglieder. Die meisten sind junge Menschen in ihren Zwanzigern oder Dreißigern, junge, praktizierende Anwälte. Und wir sind Mitglied der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM). Thomas Schmidt ist ihr Generalsekretär, und ich fungiere als Präsident.
SB: Steht die Society of Socialist Lawyers der Labour Party nahe?
BB: Es gibt auch eine Gesellschaft von Labour-Anwälten. Im kalten Krieg hat eine Spaltung stattgefunden. Unsere Gesellschaft besteht seit den 1930er Jahren, und wir stehen den englischen Gewerkschaften sehr nahe. Bei uns sind allerdings Mitglieder aller Parteien vertreten.
SB: Wir sind hier auf einer Konferenz, die sich mit der NATO auseinandersetzt. Ziehen Sie in Ihrer Arbeit, in Ihren Überzeugungen und Ihrer politischen Position eine Verbindung zwischen sozialen und militärischen Fragen?
BB: Ja, sicher. Ich gehöre zu einer Gruppe von acht Professoren für Internationales Recht, die versuchen, eine Anklage gegen Tony Blair vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) zu erwirken. Es gab eine öffentliche Anhörung im Jahr 2004. Und das Ganze ist immer noch auf der Tagesordnung, weil eine Untersuchung der Gründe für unseren Eintritt in den Irak-Krieg an die Chilcot-Kommission in Auftrag gegeben wurde. Sie sollten ihren Bericht schon vor einigen Jahren abliefern, haben es aber immer noch nicht getan. Ich glaube, sie haben das Problem, daß sie, obwohl ihr Mandat es ihnen verbietet, Fragen zur strafrechtlich relevanten Verantwortung von Einzelpersonen zu stellen, nichtsdestotrotz Indizien einschließlich durch Dokumente gestützter Beweise gefunden haben, die belegen, das Tony Blair nicht die Wahrheit über das, was geschehen ist, gesagt hat.
SB: Wie würden Sie die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem britischen Rechtssystem beurteilen?
BB: Wir haben keine niedergeschriebene Verfassung. In Bezug auf die Themen der heutigen Konferenz heißt das: Die Entscheidung, ob wir einen Krieg führen oder nicht, hat mit dem Parlament nichts zu tun. Es ist ein königliches Vorrecht, das nicht von der Königin, sondern vom Premierminister wahrgenommen wird. Es gibt also keine parlamentarische Kontrolle darüber, ob Krieg geführt wird oder man Feindseligkeiten einleitet.
SB: Hätte die Königin die Möglichkeit, die Entscheidung des Premierministers in dieser Frage umzustoßen?
BB: Nein, das wäre außergewöhnlich, denn in Britannien haben wir, seit wir dem König im Jahr 1649 den Kopf abgeschlagen haben, parlamentarische Suprematie. Das Parlament hat also die Macht, die Monarchie mit dem morgigen Tag abzuschaffen, wenn es das will. Das heißt, die Königin hat nur soviel Macht, wie ihr vom Parlament zugestanden wird. Aber bis jetzt lag es im Interesse jeder regierenden Partei, welche auch immer es war, diese Fiktion des Königsprivilegs, das die Abwesenheit parlamentarischer Kontrolle vorgibt, aufrechtzuerhalten. Es gibt immer noch eine Reihe unbeantworteter Fragen um dieses Vorrecht. Erst vor kurzem haben die Höheren Gerichte entschieden, daß sie im Prinzip das Königsprivileg beanspruchen können, obwohl sie es in der Praxis nie tun, weil es zu einer schweren konstitutionellen Krise führen würde in der Beziehung zwischen der Exekutive und den Gerichten.
SB: Ist Großbritannien aufgrund seiner Rolle im Irakkrieg und in Afghanistan stark in Menschenrechtsverletzungen verstrickt?
BB: Ja. So hatten wir bereits zwei große Fälle am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), die den Irak betreffen: Al-Skeini gegen das Vereinigte Königreich zum Mord an einem irakischen Zivilisten und Folter an anderen. Und es gibt viele weitere solche Fälle, die anstehen. Al-Jedda gegen das Vereinigte Königreich war der andere. Dort ging es um die über vier Jahre währende Administrativhaft eines irakischen Zivilisten ohne irgendwelche Verfahrensrechte, ohne die Möglichkeit herauszufinden, was er getan haben soll, ohne die Möglichkeit einer Berufung. Er wurde einfach nur plötzlich entlassen, nachdem er seinen Fall vor englischen Gerichten verloren hatte. Aber seinen Fall in Strasbourg hat er gewonnen. Und es gibt eine Vielzahl von Fällen dieser Art. Die erste Frage ist hier, ob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zuständig für die Geschehnisse im Irak ist, denn das wäre eine extraterritoriale Jurisdiktion.
SB: Ist es zutreffend, daß die britische Regierung bestimmte Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nach den Anschlägen in London 2005 außer Kraft gesetzt hat?
BB: Das wird als Ausnahmebestimmung bezeichnet. Sie hat die Möglichkeit dazu. Im Moment gibt es eine Debatte im Parlament, in der von führenden Mitgliedern der Conservative Party ernsthaft vorgeschlagen wird, daß Britannien die Europäische Konvention für Menschenrechte aufkündigen sollte, um einen Jordanier mit Namen Abu Qatada nach Jordanien zu schicken. Im Moment ist das nicht möglich aufgrund der Europäischen Konvention. Und danach könne man der Konvention wieder beitreten. Das ist wirklich eine schreckliche Vorstellung.
SB: Es scheint gängige Praxis zu sein, daß die verpflichtende Wirkung des internationalen Rechts spätestens nach 9/11 nicht mehr so stark ist.
BB: Wir haben das bereits in Bezug auf Irland getan: In den 70er und 80er Jahren hatten wir einige berüchtigte Fälle, in denen eine Ausnahmebestimmung zur Menschenrechtskonvention erlassen wurde, nachdem wir einen Fall in Strasbourg verloren hatten. Unmittelbar danach gab es eine Ausnahmebestimmung bezüglich der Verfahrensrechte.
SB: Was bedeutet das für die Herrschaft des Rechts, die natürlich auch von der britischen Regierung hochgehalten wird, wenn sie sich aussuchen kann, ob sie es umsetzt oder auch nicht?
BB: Ich denke, international macht das natürlich einen sehr schlechten Eindruck. Im Land selbst ist die große Mehrheit der Menschen und auch der Zeitungen zum Beispiel der Überzeugung, daß der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Teil der Europäischen Union ist. Und alle hassen die Europäische Union. Das ist in der Tat im Moment ein empfindliches Thema für die regierende Koalition. Die Menschen müssen noch lernen zu verstehen, was die Europäische Menschenrechtskonvention bedeutet, auch wenn diese unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg von britischen konservativen Anwälten aufgesetzt wurde.
SB: Aus deutscher Sicht hat man den Eindruck, daß die britische Öffentlichkeit sehr europaskeptisch ist.
BB: Sie ist eindeutig gegen Europa. Aus dem Grund sieht sich die Conservative Party jetzt bedroht durch die UK Independence Party, von der sie kürzlich in einer Nachwahl geschlagen wurde.
SB: Wie ist es Ihrer Meinung nach um den Einfluß der Europäischen Union auf die Entwicklung des britischen Rechtssystems bestellt?
BB: Meiner Meinung nach sind aus Sicht der Bürgerrechte der Europäische Haftbefehl und derlei Dinge die größten Probleme. Ich würde sagen, daß die EU im Großen und Ganzen sehr positiv war, zum Beispiel beim Thema Diskriminierung und in Bezug auf die Frauenrechte. Ich denke, da Britannien sich weigert, zum Beispiel die Europäische Sozialcharta zu akzeptieren, und es ein britisches Opt-out hinsichtlich der Charta der Menschenrechte im Lissabon-Vertrag gibt, versucht die Regierung ständig zu verhindern, daß die EU oder der Europarat irgendeinen Einfluß in der Frage der sozialen Rechte gewinnen könnten.
SB: Im Bereich des Antiterrorkampfs hat die EU sich 2001 auf eine gemeinsame Terrorismusdefinition geeinigt, die breite Möglichkeiten eröffnet, gewerkschaftliche Kämpfe oder andere Arten des sozialen Widerstands, wie die Blockade einer Straße und ähnliches, zu kriminalisieren. Wie beurteilen Sie den Einfluß der EU in diesem Bereich?
BB: Ich denke, soweit waren wir damals bereits. Die derzeitige Terrorgesetzgebung stammt aus dem Jahr 2000. Es ist eigentlich schon sehr lange so, daß die Regierung wirklich extrem freie Hand hat, wer als Terrorist anzusehen ist und wer unter den Terrorismusgesetzen festgehalten wird. Wir haben bereits Geheimgerichte, die schon seit langer Zeit arbeiten. Es gibt in diesem Bereich viele Dinge, die eigentlich unabhängig von der EU sind. Ich habe sehr gute Kollegen in einer Organisation mit Namen Statewatch, Tony Bunyan, Ben Hayes und andere. Sie verfolgen die Geschehnisse sehr, sehr genau.
SB: Trifft der Eindruck, daß die Entwicklung staatlicher Repression in den USA und Britannien schneller voranschreitet als im Rest der EU, also zu?
BB: In vielerlei Hinsicht. Zum Beispiel denke ich, daß wir wahrscheinlich im Vereinigten Königreich viel mehr Überwachungskameras haben als irgendwo anders in der Welt. Jeder Schritt, den man in Britannien macht, wird aufgezeichnet. Auf der anderen Seite war es unmöglich für die Regierung, Personalausweise einzuführen. Ich glaube, das liegt an unserer langen Tradition, daß Menschen keine Ausweispapiere mit sich tragen müssen und auch nicht verpflichtet sind, der Polizei mitzuteilen, wer sie sind. Deshalb war das schwierig für die Regierung, denke ich. Das heißt, bestimmte Traditionen bestehen weiter. Während sie meines Wissens in den Niederlanden Personalausweise eingeführt haben, ohne daß jemand protestiert hat, regte sich in Britannien so großer Protest, daß die Regierung die Pläne fallenlassen mußte.
SB: Sie meinen die angloamerikanische Tradition des Liberalismus gegen die Einschränkung der persönlichen Freiheiten.
BB: Ja. In allen Commonwealth-Ländern gibt es eine sehr starke Tradition hinsichtlich des Rechts darauf, in den eigenen vier Wänden zu leben und daß der Staat sich nicht einmischt.
SB: Ist sich die Bevölkerung der repressiven Entwicklung in Britannien bewußt? Es sind ja nicht allein die Videokameras und die Antiterrorgesetze …
BB: Zum Beispiel nimmt die Polizei allen, die ihr in die Hände fallen, DNA-Proben ab. Auch wenn sich jemand nur für ein paar Stunden in Haft befindet, wird ihm die DNA abgenommen. Das gilt auch dann, wenn die Betroffenen nie wirklich wegen eines Verstoßes angeklagt oder verurteilt werden. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof beurteilte das als absoluten Bruch fundamentaler Menschenrechte, aber die Polizei macht es noch immer. Die Polizei will die DNA-Daten von jedem im Land haben, und sie macht weiter. Das ist ein solches Beispiel. Ich glaube, im Moment sind wir das einzige Mitglied der 47 Staaten des Europarates, das sich weigert, ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichthofs zu befolgen. Dasselbe im Fall Hirst gegen das Vereinigte Königreich zur Frage, ob Gefangene wählen dürfen. Die Regierung sagt: Wir werden dem Urteil des Europäischen Gerichts für Menschenrechte nicht Folge leisten. Selbst Rußland ist nicht so weit gegangen.
SB: Ist es zutreffend, daß der Präsident der Vereinigten Staaten in bestimmten Fällen über eine Form von exekutiver Ermächtigung verfügt, mit der er den Kongreß überstimmen kann?
BB: Das kann er als Commander-in-chief, wenn es um die Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika geht.
SB: Halten Sie es für möglich, daß sich diese Art von Machtkonzentration auf undemokratische oder sogar antidemokratische Weise auswirken könnte?
BB: In Amerika haben sie eine Verfassung, die besagt, daß nur der Kongreß die Entscheidung treffen kann, Krieg zu führen. Über die letzten Jahre, konkret seit der Präsidenschaft von George W. Bush, hat sich in den USA eine neue Machtdoktrin des Präsidenten als Commander-in-chief entwickelt. In Britannien haben wir in vielerlei Hinsicht immer noch Feudalismus, und so gab es immer das Königsprivileg, Krieg zu führen. Auch die Ratifizierung von Verträgen beispielsweise obliegt nicht dem Parlament, sondern wird unter Königsprivileg vom Premierminister vorgenommen. Das sind eigentlich sehr alte Traditionen. Kürzlich gab es den Vorschlag der Regierung, zahlreiche Gerichtsverhandlungen absolut geheim abzuhalten, und das geht zurück auf die Zeit vor dem Bürgerkrieg im 17. Jahrhundert.
Einen der berühmtesten Fälle habe ich in Frankfurt am Main beim 40. Geburtstag der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) anläßlich der Verleihung des Hans-Litten-Preises an Gareth Peirce, Britanniens führender Verteidigerin in Terorismusfällen, erwähnt. Sie hat ein sehr gutes und hochgelobtes Buch geschrieben über Folter und die Zerstörung der Demokratie, mit dem Titel „Dispatches from the Dark Side“. Sie schreibt über die Tatsache, daß einer der den Bürgerkrieg auslösenden Faktoren die Einkerkerung, Folter und geheime Gerichtsverhandlung gegen einen führenden Parlamentarier, John Lilburne, war. Und eine der ersten Handlungen des Long Parlaments 1640 war, Lilburne zu entlassen. Das war ein Riesenthema zu der Zeit und führte direkt in den Bürgerkrieg, und 1649 wurde der König geköpft.
Es gibt also eine ziemlich lange Tradition des Widerstands gegen diese Dinge. Ich würde sagen, die Labour Party ist im Moment nicht sehr stark und ziemlich durcheinander. Und ich denke, daß die wichtigste Verteidigung in Britannien von den Gewerkschaften kommt, weil wir immer noch eine höhere Gewerkschaftsdichte haben als irgendein anderes westeuropäisches Land. Die politischen Kommentatoren meinen, daß Cameron zwei Probleme hat. Das eine ist, daß er die Wahlen nicht gewinnen konnte. Und das zweite Problem ist, daß sich die Gewerkschaften als viel stärker herausstellten als er erwartet hat.
SB: Die Sozialkürzungen in Britannien treffen insbesondere Menschen mit Behinderungen.
BB: Ja, das ist furchtbar, nicht wahr. Die Regierung hat einen privaten Kontraktor, der es fertigbringt zu behaupten, daß jemand, der praktisch tot ist, in der Lage ist zu arbeiten. Er heißt Atos.
SB: Und denken Sie, daß es eine stärkere Opposition gegen diese Art der Kürzung von Sozialleistungen geben wird?
BB: Es gibt viele Menschen, die dagegen sind. Sehr interessant und vielsagend war in dieser Hinsicht die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele im letzten Sommer, die Dan Boyle zusammengestellt hatte. Im Zentrum stand die Würdigung des National Health Service, und die etwa 70.000 bis 80.000 Zuschauer im Stadion begrüßten dies mit großem Jubel. Es ist also offensichtlich, und die Regierung weiß das auch, daß es sehr starke Gefühle für den Wohlfahrtsstaat gibt.
Es gibt einen Film, den Ken Loach, ein sehr guter Filmemacher, produziert hat, mit dem Titel „The Spirit of 1945“. Er schildert sehr gut die Umstände, in denen der Wohlfahrtsstaat geschaffen wurde und wie die Labour-Regierung Churchill nach dem Zweiten Weltkrieg eine totale Niederlage bereitet hat. Die Regierung von Clement Atlee war eigentlich in vielerlei Hinsicht sehr radikal. Und ich halte es für sehr wichtig, die Menschen daran zu erinnern. Ich denke, diese zentralen Werte sind noch immer sehr stark in England; das Problem besteht darin, ihnen eine Richtung zu geben. Es gab noch ein anderes, sehr bezeichnendes Ereignis während der Paralympics nach den Olympischen Spielen. In einer der Zeremonien, als Finanzminister George Osborne, der extrem unbeliebt ist, die Medaillen verlieh, buhte und zischte und pfiff die Menge, es wurde ungeheuer laut. Bei einer anderen Zeremonie hingegen gab die Menge Gordon Brown, dem früheren Premierminister, der viele Probleme hatte und es wirklich verdiente, die Wahl zu verlieren, Standing Ovations. So gab es offensichtlich sogar ein paar warme Gefühle Brown gegenüber.
SB: Weil er für die Labour Party steht?
BB: Ja, weil er eine Überzeugung hat. Und ich denke, es ist sehr gut, daß der jetzige Parteiführer Ed Miliband jüdisch ist, daß er der Sohn eines führenden marxistischen Intellektuellen ist und seine Familie vor den Nazis geflohen ist. Darüber hinaus hat er wirklich enge Beziehungen zu den Gewerkschaften. Er ist noch immer dabei, sich selbst zu finden, aber ich halte es für möglich, daß er noch interessant werden könnte. Und da Cameron zunehmend unpopulärer wird und mehr und mehr Fehler macht, denke ich, daß Miliband anfängt, ein bißchen attraktiver zu werden. Ich gehöre also zu jenen, die dafür plädieren, der Partei nicht den Rücken zu kehren. Denn in Britannien haben wir nicht wirklich etwas auf der linken Seite. Es gibt nichts wie Die Linke, die Sozialistische Partei in den Niederlanden oder die Linke Front in Frankreich. Und ich denke, der Grund dafür ist, daß die Labour Party von den Gewerkschaften gegründet wurde, was einzigartig ist in Europa. In den meisten Fällen war es die Sozialdemokratische Partei, die die Gewerkschaften geschaffen hat. In Britannien ist es andersherum.
SB: Prof. Bowring, vielen Dank für dieses interessante Gespräch.
Fußnoten:
[1] Haldane Society of Socialist Lawyers (Gesellschaft Sozialistischer Anwälte) – www.haldane.org
Quelle: Online-Zeitung Schattenblick, www.schattenblick.de