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Gutachten im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung

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www.boeckler.de – Februar 2009

Copyright © Hans-Böckler-Stiftung

Prof. Dr. Dr. h. c. Erhard Denninger

Zur Zulässigkeit einer so genannten „Zivilklausel im Errichtungsgesetz r das geplante Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Gutachten im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung

Auf einen Blick

Das Kernforschungszentrum Karlsruhe GmbH (FZK) und die Universität Karlsruhe (TH) sollen zu einer rechtlich neuen, selbständigen Wissenschaftseinrichtung, dem „Karlsruher Institut für Technologie (KIT)“ verschmolzen werden.

Prof. Dr. Dr. h. c. Erhard Denninger untersucht die Frage, ob in dem Gesetz zur Errichtung einer solchen Körperschaft „KIT“ die Verankerung einer „Zivilklausel“ von der Art „Die Körperschaft verfolgt nur friedliche Zwecke“ rechtlich möglich ist.

Prof. Dr. Dr. h. c. Erhard Denninger prüft außerdem rechtliche Fragen der Überleitung des Personals in die neue Körperschaft. Er untersucht weiterhin Möglichkeiten der Lösung von eventuellen Konflikten über die Auslegung einer gesetzlich verankerten „Zivilklausel“.

Der Autor sieht den Landesgesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht daran gehindert, im Errichtungsgesetz für die Körperschaft „KIT“ die Friedens-Finalität der geplanten Forschung durch eine „Zivilklausel“ zum Ausdruck zu bringen.

Die Übernahme der Wissenschaftler sowohl des Kernforschungszentrums Karlsruhe GmbH (FZK) als auch der Universität Karlsruhe als Mitglieder der Körperschaft „KIT“ seien rechtlich möglich.

Der Autor hält es für erforderlich, dass der Gesetzgeber festlegt, ob und zu welchen Bedingungen ein Forschungsvorhaben „unter dem Dach“ des KIT mit Drittmitteln durchgeführt werden kann, wenn ein solches im Einzelfall möglicherweise zu einer gesetzlich verankerten Friedensfinalität des KIT im Widerspruch steht.

Zur Zulässigkeit einer so genannten Zivilklausel“ im Errichtungsgesetz für das geplante Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Rechtsgutachten

erstattet im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung

von

Dr. iur. Dr. iur. h. c. Erhard Denninger

Professor emeritus für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Johann Wolfgang Goethe – Universität

Frankfurt am Main

– 2009 –

Inhaltsverzeichnis

I.         Zum Sachverhalt und zur Problemstellung                                       3

I.       Zum Sachverhalt und zur Problemstellung.

Seit Februar 2008 besteht zwischen der Bundesregierung und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg Einigkeit darüber, dass das „Kernforschungszentrum Karlsruhe GmbH“ (FZK), dessen Gesellschafter die Bundesrepublik Deutschland und das Land Baden- Württemberg sind, und die Universität Karlsruhe (TH) zu einer rechtlich neuen, selbstständigen Wissenschaftseinrichtung verschmolzen werden sollen. Diese soll die Rechtsform einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts des Landes erhalten; das zu ihrer Errichtung erforderliche förmliche Gesetz

–     zur Erforderlichkeit der Errichtung durch Gesetz vgl. statt vieler Hartmut

Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 23, Rn. 37 ff. – soll außer der Rechtsnatur die Ziele und Aufgaben, die grundlegenden organisatorischen Strukturen und das Finanzwesen regeln.

–     Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abg.

Dr. Petra Sitte, Karin Binder u.a. – Drucksache 16 / 10056 –

„Wissenschaftspolitisches Neuland im Karlsruher Institut für Technologie“, Bundestags-Drucks. 16 / 10131 vom 18. 8. 2008, S.2. –

Das zu schaffende „Karlsruher Institut für Technologie“ (= KIT) wird von der Bundesregierung als eine neue Form des Zusammenwirkens einer Universität mit einer außeruniversitären Großforschungseinrichtung angesehen. Wesentlich sind dabei eine gemeinsame Struktur- und Entwicklungsplanung, sowie eine gemeinsame Strategie bei Berufungen und Beschaffungen. Die nationale und internationale Sichtbarkeit der beteiligten Kräfte soll erhöht, die Attraktivität zur Rekrutierung von Spitzenwissenschaftlern und der Technologietransfer sollen gesteigert werden.

–     Antwort der Bundesregierung, a.a.O. –

In der wissenschaftspolitischen Diskussion wird vielfach erwartet, dass das neue Gebilde KIT nach Zielsetzung, Aufgabenbestimmung und Organisationsstruktur Modellcharakter für künftige weitere Großforschungsvorhaben haben wird.

In dem Vertrag zur Gründung der Kernforschungszentrum Karlsruhe GmbH, Stand 1. Dezember 1988, welche in der neuen Körperschaft KIT aufgehen soll, werden in § 2 Gegenstand und Zweck der Gesellschaft (FZK) näher bestimmt. § 2 Abs. 3 statuiert: „Die Gesellschaft verfolgt nur friedliche

Zwecke“. Zahlreiche Mitarbeiter des FZK haben ein starkes Interesse daran, dass  ihre künftige Tätigkeit im Rahmen des KIT durch eine ähnliche zweckbestimmende und –begrenzende so genannte „Zivilklausel“ ermöglicht und geschützt wird. Somit stellt sich die Frage, ob eine derartige Klausel in das Errichtungsgesetz für KIT aufgenommen werden kann, ohne gegen höherrangiges Recht, sei es des Bundes oder des Landes Baden-Württemberg, zu verstoßen. Insbesondere ist hier die Frage der Vereinbarkeit der Zivilklausel mit der Garantie der Wissenschaftsfreiheit des Grundgesetzes zu prüfen, Art. 5

Abs. 3 Satz 1 GG.

Falls die Vereinbarkeit einer „Zivilklausel“ im KIT-Gesetz mit der Wissenschaftsfreiheit im Sinne des Grundgesetzes zu bejahen ist, stellen sich weitere Fragen, so die Frage nach der Anwendbarkeit des Hochschulrahmengesetzes des Bundes auf die neue Rechtsfigur des KIT, insbesondere die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 HRG (Freiheit der Forschung), ferner in organisatorischer und verfahrensmäßiger Hinsicht die Frage der Konfliktentscheidung, falls es zwischen Mitarbeitern des KIT zu Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit einer Forschungstätigkeit mit der „Zivilklausel“ kommen sollte.

II.      Prüfung der materiellrechtlichen Rechtslage.

1.  Die Freiheit der Wissenschaft als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Das Errichtungsgesetz für das KIT als einer öffentlichrechtlichen Körperschaft des Landes Baden-Württemberg muss sich in Einklang mit allen Normen höherrangigen Rechts halten.

–     Art. 25 Abs. 2 BaWüVerf. –

Als solche kommen in erster Linie die Normen der Landesverfassung und der Bundesverfassung, des Grundgesetzes, in Betracht. Da eine „Zivilklausel“, wie immer sie im einzelnen inhaltlich ausgestaltet sein mag, geeignet ist, den Forschungsgegenstand, eventuell auch die Forschungsmethode eines Wissenschaftlers des KIT zu berühren, ist die Vereinbarkeit einer solchen Klausel mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zu prüfen. Dieses Grundrecht ist gleichumfänglich sowohl bundesverfassungsrechtlich wie landesverfassungsrechtlich gewährleistet: einerseits durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1

GG, andererseits durch die generelle Grundrechts-Rezeptionsklausel in Art. 2

Abs. 1 der Landesverfassung. Die außerdem in Art. 20 Abs. 1 BaWüVerf institutionell garantierte Forschungsfreiheit der „Hochschule“ kann hier außer Betracht bleiben, zum einen, weil nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass das als neuer Typ einer Wissenschaftseinrichtung konzipierte KIT unter den verfassungsrechtlichen Begriff der „Hochschule“ fällt, und zum anderen, weil die in Art. 20 Abs. 1 LaVerf garantierte Wissenschaftsfreiheit der Hochschule nicht weiter reicht als der Gewährleistungsbereich des Art. 5 Abs. 3

Satz 1 GG. Diese Vorschrift ist, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem grundlegenden „Hochschul-Urteil“ vom 29. Mai 1973 festgestellt hat, nicht nur Ausdruck eines individuellen, subjektiven Freiheitsrechtes, sondern zugleich eine

„objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatzorm.“

–     BVerfGE 35, 79, 112; 111, 333, 353; st. Rspr. –

Der hier anzulegende Prüfungsmaßstab ergibt sich mithin aus Art. 5 Abs. 3 Satz

1 GG.

Ähnlich wie hinsichtlich der ebenfalls in Art. 5 Abs. 3 GG ohne geschriebenen Schrankenvorbehalt gewährleisteten Freiheit der Kunst, stößt der Versuch einer inhaltlich gehaltvollen Definition des Begriffs ‚Wissenschaft’ auf Schwierigkeiten. Das Bundesverfassungsgericht lehnt sich bei seinen begrifflichen Bemühungen an die schon 1927 von Rudolf Smend aufgestellte, keineswegs tautologiefreie Kurzformel an, dass alles, „[W]as sich als ernsthafter Versuch zur Ermittlung oder zur Lehre der wissenschaftlichen Wahrheit darstellt,… Forschung und Lehre

im Sinne des Art. 142 [WRV]“ sei. Das Gericht erstreckt die Freiheitsgarantie auf „jede wissenschaftliche Tätigkeit, d.h. auf alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist.“

– S. Rudolf Smend, Das Recht der freien Meinungsäußerung, Referat auf der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer, 1927, VVDStRL Heft 4,

1928, S. 344 ff., 67; BVerfGE 35, 79, 113.-

Unter dem Oberbegriff „Wissenschaft“ werden „Forschung“ und „Lehre“ zusammengefasst. Dabei bewirkt „Forschung“ als „die geistige Tätigkeit mit dem Ziele, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen“

– so: Bundesbericht Forschung III, BTDrucks. V / 4335, S. 4 – angesichts immer neuer Fragestellungen den Fortschritt der Wissenschaft. Dementsprechend umfasst die „Freiheit der Forschung insbesondere die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung.“

–     BVerfGE a. a. O., 113.-

Diese Bestimmung des Normbereichs der Forschungsfreiheit hat der Bundesgesetzgeber in das Hochschulrahmengesetz (i. d. F. d. Bek. v. 19 Januar 1999), § 4 Abs. 2 Satz 1, übernommen: „Die Freiheit der Forschung (Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes) umfasst insbesondere die Fragestellung, die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung.“ Unbeschadet dieser auch als individuelle Freiheitsgarantie zu verstehenden Gewährleistung sind jedoch (kollektive) Entscheidungen der zuständigen Hochschulorgane in Fragen der Forschung insoweit zulässig, als sie sich „auf die Organisation des Forschungsbetriebes, die Förderung und Abstimmung von Forschungsvorhaben und auf die Bildung von Forschungsschwerpunkten beziehen.“(Satz 2).

Die Selbstverwaltungsorgane der Hochschule sollen dadurch in die Lage versetzt werden, in einer Situation permanenter Knappheit der Mittel (in personeller, räumlicher, apparativer und finanzieller Hinsicht) und divergierender, auch kollidierender Forschungsinteressen die vorhandenen Ressourcen in optimaler Weise zu nutzen. Das Bundesverfassungsgericht hat schon 1973 zutreffend erkannt, dass die Bildungs- und Ausbildungsfunktionen der heutigen Massenuniversität „nicht mehr in dem Maße an der ‚reinen Wissenschaft’ ausgerichtet [sind], wie es den Vorstellungen Wilhelm von Humboldts und seiner Zeit entsprach.“ Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderung und Notwendigkeit der Heranbildung „einer möglichst großen Zahl von Fachleuten für eine zunehmend ‚verwissenschaftlichte’ berufliche Praxis“ ist „die Universität nicht nur der Raum für die sich in wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit vollziehenden einzelnen Forschungs- und Bildungsprozesse, sondern Gegenstand und Mittel einer öffentlich kontrollierten Bildungs- und Forschungspolitik.

–     BVerfGE 35, 79, 121 f. (Hervorh. von mir, E. D.)-

Das bedeutet für den einzelnen forschenden Hochschulwissenschaftler Folgendes: Der weisungsfrei, selbstständig arbeitende Wissenschaftler (Professor, Habilitand, Doktorand; etwas anderes gilt für die abhängig arbeitenden wissenschaftlichen Mitarbeiter, Laboranten, Mechaniker, Korrekturassistenten usw.) ist durch sein individuelles Grundrecht davor geschützt, in Bezug auf sein Forschungsthema und seine Methodik unmittelbar verpflichtende Ge- oder Verbote befolgen zu müssen.

Jürgen Lüthje in: Denninger (Hrsg.), Hochschulrahmengesetz, Kommentar, 1984, § 3 (a. F.) Rn. 23, 24., Thomas Oppermann, Rechtsgutachten vom 10. Juli 1989, S. 5.-

Er hat Anspruch auf eine angemessene, nicht notwendig bezifferbare Teilhabe an den zur Verfügung stehenden Forschungsmitteln und –einrichtungen; er muss jedoch, wenn er thematisch „seine eigenen Wege gehen“ will, unter Umständen in Kauf nehmen, dass das Gros der zu verteilenden Mittel dem von ihm abgelehnten, vom zuständigen Organ (z. B. Fachbereichsrat) jedoch beschlossenen Forschungsschwerpunkt zufließt. Andererseits hatte er Gelegenheit, vor der Beschlussfassung über die Bildung des Schwerpunktes seine Auffassung mit Argumenten zu Gehör zu bringen; und es bleibt ihm auch unbenommen, der eigenen Forschungsthematik mit Hilfe eingeworbener Drittmittel im Sinne von § 25 HRG nachzugehen.

2.  Grenzen der Inpflichtnahme der Hochschule für ausbildungs- oder forschungspolitische Zielsetzungen. Das Problem der

„Tendenzuniversität“.

Die Auseinandersetzungen in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der „Gruppenuniversität“ und von

„Kooperationsverträgen“ zwischen Universitäten und organisierten gesellschaftlichen Kräften wie Arbeiterkammern oder Gewerkschaften waren vielfach von der Furcht vor einer „Politisierung“ der Universität geprägt. Die Zielsetzungen einer so genannten „Tendenzuniversität“, so wurde gesagt, seien mit der Universitätsaufgabe einer „pluralen, offenen und damit ‚wertneutralen’ Wissenschaftspflege unvereinbar. Als „Tendenzuniversität“ wurde eine Hochschule bezeichnet, „die sich schon institutionell mit bestimmten gesellschaftlichen Interessen oder gesellschaftspolitischen Zielsetzungen identifiziert“.

–     Rupert Scholz in Maunz/Dürig, GG, Band I, 1977, Art. 5 Abs. III, Rn. 97;

nahezu wortgleich übernommen von Thomas Oppermann, Freiheit von

Forschung und Lehre, in: Isensee/ Kirchhof, HbStR VI, 2. Aufl. 2001,

§ 145, Rn. 13.-

Andererseits konnte das Problem einer grundrechtlichen „Umhegung“ einer auftragsgebundenen (und möglicherweise auch vom Auftraggeber (mit)finanzierten) Forschung nicht übersehen werden. Jedoch ist der herrschenden Lehre eine klare Abgrenzung des Bereichs des verfassungsrechtlich Unzulässigen („Tendenzuniversität“) von den Möglichkeiten verfassungsrechtlich unbedenklicher Auftragsforschung bisher nicht gelungen. So will Oppermann (a. a. O.) Kooperationsverträge der genannten Art „allenfalls“ dann zulassen, wenn die Freiwilligkeit der Beteiligung der Hochschulmitglieder gewahrt bleibt und eine Ausrichtung der gesamten Hochschule im Sinne der Vertragstendenz vermieden wird. Und Scholz bejaht ausdrücklich die Zulässigkeit „engagierte[r] Wissenschaft oder interessenmäßig gebundene[r] Forschung“. Auftragsforschung und zweckgebundene Industrieforschung stehen „unter dem uneingeschränkten Schutz des Art. 5 Abs. III“; dieser Schutzbereich werde erst dann verlassen, „wenn wissenschaftliche Finalität die Pluralität einer wissenschaftlichen Thematik oder wissenschaftlichen Disziplin in Frage stellte.“ (A. a. O., Rn.98).

Der Versuch, mit Hilfe dieser Kriterien die Frage zu entscheiden, ob eine „Zivilklausel“ etwa des Inhalts „Das KIT verfolgt nur friedliche Zwecke“ mit der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG zu vereinbaren sei, offenbart das Ungenügen und die Unschärfe der Kriterien.

Einerseits begrenzt bei einer formal logischen Betrachtung die „wissenschaftliche Finalität“ der „Friedlichkeit“, des „Dienstes am Frieden der Welt“ oder der „Friedensliebe“ die „Pluralität einer wissenschaftlichen Thematik“ möglicherweise insofern, als die Aspekte ihrer potentiellen kriegerischen Nutzung weniger oder gar keine Aufmerksamkeit finden oder aber im Gegenteil den Forscher sogar zu warnender Information veranlassen können – wie dies in § 6 des Hessischen Universitätsgesetzes von 1974 vorgesehen war.

– Vgl. dazu BVerfGE 47, 327, 366 ff. Das Gericht hat die Vorschrift bei verfassungskonformer Auslegung mit sorgfältiger Begründung

(20 Druckseiten!) für verfassungsgemäß erklärt. Sie wurde aufgehoben, als das Hessische Universitätsgesetz im Hessischen Hochschulgesetz vom

31. Juli 2000 aufging. –

Was friedensorientierte „Finalität“ für den Bereich der schulischen, also nicht universitären, Lehre bedeuten mag, hat der hessische Verfassungsgeber 1946 beispielhaft verdeutlicht: „Der Geschichtsunterricht muß auf getreue, unverfälschte Darstellung der Vergangenheit gerichtet sein. Dabei sind in den Vordergrund zu stellen die großen Wohltäter der Menschheit, die Entwicklung von Staat, Wirtschaft, Zivilisation und Kultur, nicht aber Feldherren, Kriege und Schlachten.“…

–     Art. 56 Abs. 5 HessVerf vom 1. Dezember 1946.-

Auf der anderen Seite wird es, ohne den Dingen Gewalt anzutun, nicht möglich sein, die friedensorientierte Finalität einer Zivilklausel als Identifikation der wissenschaftlichen Institution – hier des KIT – mit „bestimmten gesellschaftlichen Interessen oder gesellschaftspolitischen Zielsetzungen“ zu interpretieren und die Institution deshalb als „Tendenz-Institut“ abzuqualifizieren. Denn die Finalität der „Friedlichkeit“ steht nicht im Dienste

„bestimmter gesellschaftlicher Interessen oder gesellschaftspolitischer Zielsetzungen“, vielmehr ist sie ein konstitutives Motiv und Element der Verfassungsgebung sowohl im Bund als auch im Land Baden-Württemberg. Gemäß den Präambeln sowohl des Grundgesetzes wie der Landesverfassung hat sich das Deutsche Volk beziehungsweise das Volk von Baden-Württemberg, „von dem Willen beseelt, …dem Frieden [der Welt] zu dienen…“ kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt die Verfassung gegeben. Auch über die Präambeln hinaus kommt die Friedens-Orientierung an mehreren, nicht nebensächlichen Stellen der Verfassungen zum Ausdruck: Aus dem Grundgesetz sind zu nennen:

– das Bekenntnis des Deutschen Volkes zu den Menschenrechten „als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt, Art. 1 Abs. 2 GG;

– das Verbot von Vereinigungen (Vereinen und Gesellschaften), die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, Art. 9 Abs. 2 GG;

– das „Verbot des Angriffskrieges“ des Art. 26, der ja aber viel umfassender schon Handlungen verbietet, „die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören“ und für solche Handlungen strafrechtliche Sanktionen fordert. (§§ 80, 80a StGB).

 

Und aus der baden-württembergischen Landesverfassung darf immerhin an Art.

3 Abs. 2 erinnert werden, der den 1. Mai als gesetzlichen Feiertag festschreibt. Er dient nicht nur der Erholung, sondern er „gilt dem Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Völkerverständigung. [Hervorh. von mir, E.D.]

–     Ähnlich auch: Art. 32 HessVerf.-

Von ganz anderer verfassungsrechtlicher Dimension als die verfassungsgemäße Begehung des Mai-Feiertages sind allerdings die Friedlichkeitsverpflichtungen, die die beiden deutschen Staaten anlässlich der Vereinigung Deutschlands 1990

in feierlicher Form völkerrechtlich und im vereinigten Deutschland in gesetzlicher Form eingegangen sind. Maßgeblich ist insoweit der „Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland“ vom 12. September 1990, der so genannte „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ zwischen den „Vier Mächten“, der Bundesrepublik Deutschland („alt“) und der Deutschen Demokratischen Republik.

–     BGBl. II S. 1318 –

Die Vertragspartner treffen ihre Vereinbarungen u.a. „mit dem Ziel, die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland zu vereinbaren, in Anerkennung dessen, daß dadurch und mit der Vereinigung Deutschlands als einem demokratischen und friedlichen Staat [Hervorh. von mir, E.D.] die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes ihre Bedeutung verlieren“…

Die entscheidende völkerrechtlich verbindliche Verpflichtung folgt in Art. 2 des Vertrages:

„Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Es folgt ein Hinweis auf den Inhalt dessen, was bereits gemäß Art. 26 GG (s.o.) geltendes Verfassungsrecht ist. Der Art. 2 des Vertrages schließt dann mit der Erklärung der beiden deutschen Regierungen, „daß das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.“

In einer zusammenfassenden Betrachtung der vorstehend herangezogenen verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Bestimmungen kann man feststellen:

Die Friedens-Finalität ist als ein zentrales und hochrangiges Element der Organisation und Tätigkeit staatlicher Institutionen in der Bundesrepublik anzusehen.

3.  Die Freiheit der Wissenschaft als verfassungsrechtlicher Maßstab für das gesamte, auch außeruniversitäre Wissenschaftssystem. Die oben – zu 1. – beschriebene, vom Bundesverfassungsgericht in seiner Interpretation des Art. 5 Abs. 3 GG zu Grunde gelegte und von der herrschenden Lehre aufgenommene Phänotypik einer „freien“ Wissenschaft wird von den tragenden Merkmalen der an (deutschen) Universitäten institutionalisierten „akademisch-disziplinären“ Forschung und Lehre geprägt. Als diese Merkmale werden die Orientierung an den disziplinären Normen, ein spezifischer Zusammenhang von Kommunikation und Forschung, der die „Selbststeuerung der Wissenschaft“ wie auch die Anschlussfähigkeit der Forschung sichert, die Wahl der Themen durch die einzelnen Wissenschaftler nach eigenen Kriterien innerhalb des disziplinären Zusammenhangs und die eigenverantwortliche Durchführung der Forschung genannt.

Hans-Heinrich Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, 1994, S. 98 f. –

Demgegenüber macht Trute in seiner bahnbrechenden und weit ausgreifenden Studie zweierlei deutlich: Zum einen, dass sich die „Definition“ von Forschungsfreiheit durch das Bundesverfassungsgericht (seit BVerfGE 35, 79, 113) mit den Merkmalen der freien Wahl des Forschungsgegenstandes (der „Fragestellung“), des Forschungszieles, der Methode, der Bewertung und Verbreitung der Forschungsergebnisse und nicht zuletzt der grundsätzlichen Gleichgültigkeit der Forschung gegenüber vielfältigen (friedlichen oder auch nichtfriedlichen) Verwendungszusammenhängen deutlich an den Strukturmerkmalen der „akademisch-disziplinären“ Wissenschaft orientiert. Zum anderen aber beschreibt er drei weitere Phänotypen von Forschung – er rubriziert sie als „Ressortforschung“, „Industrieforschung“ und „Großforschung -, die zwar allesamt in den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit gehören, aber doch jeweils spezifische grundrechtsdogmatische Besonderheiten geltend machen müssen.

Die aus dem Zusammenschluss von Universität Karlsruhe und dem Kernforschungszentrum Karlsruhe GmbH entstehende neue Körperschaft KIT ist nicht als ein lockerer, ad hoc punktuell kooperierender Forschungsverbund konzipiert – und wäre in der geplanten Rechtsform als Körperschaft auf diese Weise auch nicht möglich – sondern das Zusammenwirken der beiden Gründungsinstitutionen soll so eng wie möglich sein, „d.h. in einer Institution, die ‚atmend’ und flexibel ausgestaltet wird und zudem eine Corporate Identity schafft.“

– Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Abg. Dr. Petra Sitte usw., BT-Drucks. 16 / 10131, S. 7. –

Das FZK, welches den Charakter der Körperschaft wesentlich mitprägen wird, ist im Sinne der Trute’schen Kategorien ohne Zweifel als Einrichtung der

„Großforschung“ anzusprechen. Es ist eines von vierzehn Gründungsmitgliedern des Vereins „Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e. V.“ (HGF), einer Ende 2006 im Register eingetragenen Vereinigung deutscher „Großforschungs“-Institute, die mit der Gründung dieser

„Helmholtz-Gemeinschaft“ gerade die Grundlage für eine Förderung der einzelnen Zentren durch die Zuwendungsgeber nach den Grundsätzen einer

„programmorientierten Förderung“ schaffen wollten.

– S. z. B. den Vorspruch der Satzung des Vereins „Helmholtz- Gemeinschaft“ .-

Die Orientierung der Forschung an jeweils auszuarbeitenden Programmen und daraus zu entwickelnden einzelnen Projekten unterscheidet die Arbeitsweise der

„Großforschungs“- Einrichtungen deutlich von derjenigen der akademisch- disziplinären Forschung. Dabei ist die „Größe“ der „Big Science“, die, nicht sehr glücklich, mit „Großforschung“ verdeutscht wurde, nicht das ausschlaggebende Unterscheidungsmerkmal, vielmehr die Rolle der beteiligten Wissenschaftler bei der Bestimmung der Forschungsprogramme und –projekte. Während im Rahmen der disziplinären (universitären) Forschung vor allem die Kommunikationszusammenhänge die überindividuelle Qualität der

„Wissenschaft“ bestimmen, gewinnt im Rahmen der projektorientierten Großforschung die überindividuelle Organisation des Forschungsbetriebes entscheidende Bedeutung. Die Bestimmung der Forschungsaufgabe ist nicht mehr nur Sache der individuellen Präferenzentscheidungen der beteiligten Wissenschaftler, sondern sie ist in vielfältiger Weise von Entscheidungen interner und externer Instanzen abhängig.

–     Zum Ganzen: Trute, a. a. O., S. 107 f. –

Dieser zunächst nur deskriptive Befund mehrerer idealtypisch unterscheidbarer Forschungstypen ist auf seine Bedeutung für die Interpretation des Art. 5 Abs. 3

GG – Wissenschaftsfreiheit – hin zu befragen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die „unsichtbare Hand der Wissenschaftsfreiheit“

–     diese wird mit Nachdruck erhoben von Matthias Ruffert, Grund und Grenzen der Wissenschaftsfreiheit, VVDStRL 65, 2006, S. 146 ff., 170 – unabdingbar die völlige Freiheit des/der Forscher(s) bei der Auswahl der Forschungsthemen („die Fragestellung“: BVerfGE 35, 113) fordert oder ob es im gesamtgesellschaftlichen Interesse so etwas wie „Forschungs(themen)politik“ im Einklang mit der Grundrechtsgarantie geben kann. Oder anders gefragt: Wird die grundrechtlich geschützte „wissenschaftliche Eigengesetzlichkeit“ und damit die Freiheit der Wissenschaft beeinträchtigt oder gar zerstört, wenn der Staat für einzelne der von ihm eingerichteten und unterhaltenen wissenschaftlichen Institutionen in positiver oder negativer Aufgabenbegrenzung thematische Vorgaben macht, welche für den Wissenschaftler, der an den zur Verfügung gestellten Mitteln teilhaben will, verbindlich sind? Nach einem ungetrübt realistischen Blick in die Landschaft der „Großforschung“, wie sie durch die Forschungszentren der „Helmholtz-Gemeinschaft“ gestaltet wird, heißt die Frage stellen sie verneinen. Es wäre eine durch nichts zu rechtfertigende Verzerrung des Sinnes der normativen Grundlagen und der diesen entsprechenden Wirklichkeit, wollte man etwa die satzungsgemäßen Aufgabenbestimmungen der Helmholtz-Zentren als verfassungswidrige Denk- und Forschungs-Verbote beziehungsweise –Gebote interpretieren.

Für das aus der Verbindung von FZK und TH Karlsruhe zu schaffende neue Modell einer Wissenschaftsorganisation – KIT – gilt nichts anderes.

Die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Wissenschaftsfreiheit steht dem nicht entgegen. Freilich muss man berücksichtigen – und es ist das Verdienst Trute’s (a. a. O.), darauf aufmerksam gemacht zu haben – dass das Gericht in seinen „großen“, grundlegenden Entscheidungen zu Art. 5 Abs. 3, Wissenschaft, stets mit der Stellung des Hochschulwissenschaftlers und der Gewährleistung seiner Grundrechtsposition befasst war, nie jedoch zentral mit Fragen einer verfassungskonformen Organisation außeruniversitärer Wissenschaft:

Diese Judikatur beginnt mit dem Urteil zur „Gruppenuniversität“ anhand des Vorschaltgesetzes zum Niedersächsischen Gesamthochschulgesetz (1973); es folgen die Beschlüsse über die Verfassungsbeschwerden gegen das Hessische Universitätsgesetz (BVerfGE 47, 327; 1978), gegen das nordrhein-westfälische Universitätsgesetz (E 93, 85; 1995) und gegen das brandenburgische Hochschulgesetz (E 111, 333; 2004). In allen drei letztgenannten Verfahren blieben die beschwerdeführenden Hochschullehrer ohne Erfolg. Vor allem in dem zeitlich jüngsten Verfahren zum brandenburgischen Hochschulgesetz lässt das Gericht eine deutliche Öffnung in Richtung auf verstärkte Steuerungskompetenzen des Staates erkennen, sofern nur ein „hinreichendes Maß an organisatorischer Selbstbestimmung der Grundrechtsträger“ sichergestellt ist.

–     BVerfGE 111, 333,355 f., auch zum Folgenden.-

Ist dies gewährleistet, so ist der Gesetzgeber „frei, den Wissenschaftsbetrieb nach seinem Ermessen zu regeln, um die unterschiedlichen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und die Interessen aller daran Beteiligten in Wahrnehmung seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung in angemessenen Ausgleich zu bringen (…[Nachw.]) Für diese Aufgabe ist der parlamentarische Gesetzgeber besser geeignet als die an speziellen Interessen orientierten Träger der Wissenschaftsfreiheit. Er ist dabei weder an überkommene hochschulorganisatorische Strukturen noch an deren einzelne Elemente gebunden. Der Gesetzgeber darf nicht nur neue Modelle und Steuerungstechniken entwickeln und erproben (vgl. BVerfGE 47, 327 [404]:

„Wissenschaftsmanagement“), vielmehr ist er sogar verpflichtet, bisherige Organisationsformen kritisch zu beobachten und zeitgemäß zu reformieren(…) Ihm stehen dabei gerade hinsichtlich der Eignung neuer Organisationsformen eine Einschätzungsprärogative und ein Prognosespielraum zu (…[Nachw.]).“

Im Vordergrund steht hier, dem konkreten Beschwerdebegehren entsprechend, das Verhältnis von grundrechtlich-individueller zu staatlicher Organisationskompetenz. Es wird aber deutlich, dass dessen Bestimmung Mittel zum Zweck ist, nämlich um dem Staat die Wahrnehmung seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung auch im Ausgleich unterschiedlicher Aufgabenbestimmungen und Interessen zu ermöglichen.

Dass der Gesetzgeber hierzu auch längst schon aus europarechtlicher Sicht aufgerufen ist, belegt ein Blick auf Titel XVIII des EGV, Art. 163 ff. EGV. Wenn Art. 164 EGV zur Ergänzung der „in den Mitgliedstaaten durchgeführten Aktionen“ u. a. vorsieht:

„a) Durchführung von Programmen für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration unter Förderung der Zusammenarbeit mit und zwischen Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen; dann setzt diese gemeinschaftsrechtliche Forschungspolitik die in der zitierten Verfassungsgerichtsentscheidung nur angedeutete staatliche Steuerungskompetenz bei Organisations- und Ressourcen- Allokationsentscheidungen voraus.

Die neue Verbindung von Forschungszentrum und Hochschule im KIT kann als eine der in Art. 164 EGV vorgesehenen nationalen Maßnahmen angesehen werden.

4.  Erstes Ergebnis:

Der Landesgesetzgeber ist aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus Art. 5 Abs. 3 GG, nicht daran gehindert, im Errichtungsgesetz für eine neue Körperschaft „KIT“ die Friedens-Finalität der geplanten Forschung durch eine

„Zivilklausel“ von der Art „Die Körperschaft verfolgt nur friedliche Zwecke“ zum  Ausdruck zu bringen.

Die Freiheit der Forschung umfasst in der Auslegung durch das Bundesver- fassungsgericht, die das geltende Hochschulrahmengesetz in § 4 Abs. 2 übernommen hat, „insbesondere die Fragestellung, die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung.“ Der weisungsfrei, selbständig arbeitende (Hochschul-)Wissenschaftler ist durch sein individuelles Grundrecht davor geschützt, in Bezug auf sein Forschungsthema und seine Methodik unmittelbar verpflichtende Ge- oder Verbote befolgen zu müssen. Jedoch muss er unter Umständen in Kauf nehmen, dass das Gros der zu verteilenden Mittel dem von ihm abgelehnten, vom zuständigen Organ jedoch rechtmäßig beschlossenen Forschungsschwerpunkt zufließt.

III. Prüfung weiterer Rechtsfragen, insbesondere zur Überleitung des Personals und zur Schlichtung von Streitigkeiten über Auslegung und Anwendung einer Zivilklausel.

1.  Zur Überleitung des wissenschaftlich tätigen Personals.

Die neue Körperschaft entsteht nicht aus dem Nichts, sondern aus der Verbindung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (FKZ) mit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Universität Karlsruhe, s. §§ 1, 8 Abs. 1 bwLHG vom 1. Januar 2005). Das Landeshochschulgesetz, § 8 Abs. 1, sieht übrigens die Bildung und Erprobung neuer, „reformorientierter Hochschulmodelle“ unter anderem „zur Profilbildung“ (der Hochschule) ausdrücklich vor. Freilich ist der Landesgesetzgeber nicht darauf angewiesen, sich auf diese Möglichkeit berufen zu müssen.

Fragt man nun nach den Trägern des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit in der neuen Körperschaft KIT, so sind drei Gruppen zu unterscheiden:

a)  Die erste Gruppe wird von den bisher im Angestelltenverhältnis beschäftigten Wissenschaftlern der FZK-GmbH gebildet. Ihre Überleitung in neue Vertragsverhältnisse mit dem KIT, zu dessen Körperschaftsmitgliedern sie gehören werden, bereitet im Hinblick auf die Zivilklausel keine besonderen Schwierigkeiten. Diese Klausel wird Bestandteil des einzelnen Beschäftigungsvertrages, sei es durch Bezugnahme auf das Errichtungsgesetz und eventuell zusätzlich auf eine Satzung, sei es durch ausdrückliche Einfügung in den individuellen Arbeitsvertrag. Die aus der FZK-GmbH übergeleiteten Wissenschaftler erfahren insoweit keine Änderung ihrer bisherigen Stellung.

b)  Eine zweite Gruppe umfasst die nach Gründung des KIT neu in die

Körperschaft aufgenommenen Mitglieder-Wissenschaftler. Sie treten in die Körperschaft unter der Bedingung ein, dass sie deren

„Friedensfinalität“ anerkennen. Besondere rechtliche Schwierigkeiten ergeben sich hier so wenig wie bei den ehemaligen FZK-Wissenschaftlern.

c)  Eine besondere Betrachtung erfordert die Gruppe der (angestellten oder beamteten) Wissenschaftler der Universität Karlsruhe, die in der neuen Körperschaft aufgeht. Keiner von ihnen kann ein subjektives Recht auf den Fortbestand der Körperschaft (Universität), der sie bislang angehört haben, geltend machen. Der Staat könnte (freilich durch Gesetz) die Universität gänzlich schließen und rechtlich aufheben; er kann sie auch, wie geplant, in ein neues Rechtssubjekt überführen. Die beamteten oder angestellten Hochschullehrer-Wissenschaftler können mit ihrer Zustimmung an die neue Wissenschaftseinrichtung versetzt werden. Ohne ihre Zustimmung erwächst ihnen ein subjektivrechtlicher Anspruch darauf, in ein „gleichwertiges Amt“ in der neuen Wissenschaftseinrichtung übernommen zu werden.

– § 45 Abs. 4 bwLHG kann hier analog angewendet werden.-

Bevor dies geschieht, sind die betroffenen Wissenschaftler anzuhören. Dabei sind sie darauf aufmerksam zu machen, dass für die neue Körperschaft kraft Gesetzes die Friedensfinalität gilt und dass dies auch Konsequenzen für die Vergabe von Forschungsmitteln und –ressourcen hat. Ein Hochschullehrer- Wissenschaftler kann nicht damit rechnen, bei der Mittelvergabe für ein Forschungsvorhaben berücksichtigt zu werden, das im Widerspruch zu der Ausrichtung der Forschung auf friedliche Zwecke steht.

Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Forschungsvorhaben im Rahmen des KIT mit Drittmitteln durchgeführt werden dürfte, wenn es der Friedensfinalität möglicherweise widerspricht, hätte der Gesetzgeber zu entscheiden; eine Anwendung des § 41 Abs. 1 bwLHG kommt hier nicht in Betracht.

2.  Zur Frage der Streitschlichtung bei Auslegung und Anwendung einer Zivilklausel.

Es ist Aufgabe des Landesgesetzgebers, im Errichtungsgesetz für das KIT Regelungen über das Verfahren zu treffen, mit dessen Hilfe Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung einer Zivilklausel im Hinblick auf konkrete Forschungsvorhaben geschlichtet werden können. Der Gesetzgeber hat dabei eine erhebliche Gestaltungsfreiheit. Jedoch ist er im Hinblick darauf, dass es sich bei einem solchen Konflikt um „wissenschaftsrelevante Angelegenheiten“ handelt,

– BVerfGE 35, 79, 129 u. ö.-

von Verfassungs wegen gehalten, ein hinreichendes Maß an Beteiligung der betroffenen Grundrechtsträger vorzusehen, um einen ausreichenden „Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen“

– BVerfGE 111, 333, 354 –

zu gewährleisten. Man kann hier Erwägungen entsprechend heranziehen, wie sie das Bundesverfassungsgericht bei der Verfassungskontrolle des Brandenburgischen Hochschulgesetzes 2004 bezüglich der Evaluation von Forschung und Lehre und der Festlegung von Evaluationskriterien angestellt hat. „Durch die Beteiligung des Senats ist die erforderliche Einbeziehung von wissenschaftlichem Sachverstand gewährleistet“, sagt das Gericht, a. a. O., 361. Mithin bestehe keine „strukturelle Gefahr wissenschaftsinadäquater Entscheidungen aufgrund der Zuständigkeitsregelung für die Forschungsevaluation“. In einem Konflikt über Auslegung und Anwendung der Zivilklausel, der typischerweise zwischen dem Träger des Forschungsvorhabens und der Leitung des KIT aufbrechen wird, wird also der Senat der Körperschaft in streitschlichtender Funktion zu beteiligen sein. Darüber hinaus bleibt die Möglichkeit der Anrufung staatlichen Rechtsschutzes unberührt.

3.  Zweites Ergebnis:

Die Übernahme der Wissenschaftler sowohl des FZK wie der Universität Karlsruhe als Mitglieder der Körperschaft KIT ist rechtlich möglich.

Es bedarf einer Entscheidung des Gesetzgebers darüber, ob und unter welchen Bedingungen ein Forschungsvorhaben „unter dem Dach“ des KIT mit Drittmitteln durchgeführt werden kann, wenn für das KIT die Friedensfinalität gesetzlich verankert ist, das Vorhaben jedoch zu dieser möglicherweise in Widerspruch steht.

IV.     Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse

1. Grundrechtlicher Maßstab für die verfassungsrechtliche Zulässigeit einer so genannten „Zivilklausel“ in dem Errichtungsgesetz für das

„Karlsruher Institut für Technologie“ ist in erster Linie die Gewähr- leistung der Wissenschaftsfreiheit (Forschungsfreiheit), die bundes- wie landesverfassungsrechtlich gleichinhaltlich garantiert ist, Art. 5

Abs. 3 GG, Art. 2 Abs. 1 BaWüVerf.

2. Die Freiheit der Forschung umfasst in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht, die das geltende Hochschulrahmengesetz in § 4 Abs. 2 übernommen hat, „insbesondere die Fragestellung, die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergeb- nisses und seine Verbreitung.“ Der weisungsfrei, selbständig arbeitende (Hochschul-)Wissenschaftler ist durch sein individuelles Grundrecht davor geschützt, in Bezug auf sein Forschungsthema und seine Methodik unmittelbar verpflichtende Ge- oder Verbote befolgen zu müssen. Jedoch muss er unter Umständen in Kauf nehmen, dass das Gros der zu verteilenden Mittel dem von ihm abgelehnten, vom zuständigen Organ jedoch rechtmäßig beschlossenen Forschungs- schwerpunkt zufließt.

3. Die forschungs- und ausbildungspolitische Ausrichtung einer Hochschule oder eines Forschungszentrums auf die im Grundgesetz und in den für die wiedervereinigte Bundesrepublik völkerrechtlich konstitutiven Verträgen zum Ausdruck gebrachte „Friedlichkeit“ ist nicht als Element einer verfassungsrechtlich unzulässigen „Tendenz- universität“ anzusehen. Vielmehr ist eine solche „Friedens-Finalität“ ein zentral wichtiges und normativ hochrangiges Element der Organisation und Funktionen staatlicher Institutionen der Bundes- republik Deutschland.

4. Der Landesgesetzgeber ist aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus Art. 5 Abs. 3 GG, nicht daran gehindert, im Errichtungsgesetz für eine neue Körperschaft „KIT“ die Friedens- Finalität der geplanten Forschung durch eine „Zivilklausel“ von der Art

„Die Körperschaft verfolgt nur friedliche Zwecke“ zum Ausdruck zu bringen. 

5. Die Übernahme der Wissenschaftler sowohl des FZK wie der Universität Karlsruhe als Mitglieder der Körperschaft KIT ist rechtlich möglich.

6. Es bedarf einer Entscheidung des Gesetzgebers darüber, ob und zu welchen Bedingungen ein Forschungsvorhaben „unter dem Dach“ des KIT mit Drittmitteln durchgeführt werden kann, wenn für das KIT die Friedens-Finalität gesetzlich verankert ist, das Vorhaben jedoch möglicherweise zu dieser in Widerspruch steht.

Königstein, den 18. Februar 2009

Prof. Dr. Dr. h. c. Erhard Denninger

Quelle: Online-Zeitung Schattenblick, www.schattenblick.de