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Drohnen und das Humanitäre Völkerrecht

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Foto: © 2013 by Schattenblick – www.schattenblick.de

Hans-Joachim Heintze, Charlotte Lülf

Drohnen und das Humanitäre Völkerrecht

Die Menschen waren ebenso wie der Genfer Unternehmer und Vater der Rot-Kreuz-Bewegung, Henry Dunant, vor 150 Jahren schockiert über die Auswirkungen des mit neuen und immer wirksameren Waffensystemen geführten Krieges. Diese Schockwirkung neuer Waffentechnologien wiederholte sich in der Geschichte. Vom Sprengstoff über Raketen und schließlich zur Atombomben, immer wieder stellte sich die Frage nach der rechtlichen Einhegung der Waffen, um deren schlimmsten Auswirkungen im Namen der Humanität einzuschränken. Leider stellte sich aber auch heraus, dass die rechtliche Kodifizierung dieser Einhegung stets erst nach einem Konflikt erreicht wurde, folglich nachdem die Waffen ihre schockierende Wirkung bereits unter Beweis gestellt hatten. Dies führte zu der fast resignierten Stellungnahme vieler Wissenschaftler, wonach die Kodifizierung des Rechts immer einen Schritt hinter dem letzten Krieg hinterherhinke. So vereinbarten die Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg die Genfer Konventionen, die Zusatzprotokolle nach dem Vietnamkrieg und das Antipersonen-Minen-Verbot nach hunderttausenden zivilen Opfern in den zunehmend auftretenden Bürgerkriegen. Mit der Computerisierung, Automatisierung und Roboterisierung scheint nunmehr wieder eine neue Stufe der Waffenentwicklung erreicht zu sein. Somit stellt sich erneut die Frage, wie sich diese neuen oder derzeit in der Entwicklung befindlichen Waffensysteme in das bestehende humanitäre Völkerrecht einpassen, oder ob sie dessen Rahmen sprengen und möglicherweise eines neuen Regelwerkes bedürfen.

Eine entscheidende Entwicklung der letzten Jahre ist der Rückzug des Menschen vom eigentlichen Kriegsschauplatz, durch Drohnen oder Cyberangriffe, bei denen räumliche Distanzen kaum mehr eine Rolle spielen. Der Einsatz von bewaffneten und unbewaffneten Drohnen hat die militärische Planung und Durchführung verändert und zu einer intensiven Debatte in Öffentlichkeit und Wissenschaft geführt. Insbesondere die Daten, die die Aufklärungstechnik liefert sowie die Präzision der durchgeführten Angriffe stehen dabei als positive Eigenschaft im Vordergrund. Hinzu kommt, dass die Staaten ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren eigenen Soldaten in besserem Maße gerecht werden können. So werden eigene Truppen erfolgreicher geschützt, wenn die Aufklärung vollständig von Drohnen übernommen werden kann, die bis zu mehreren Tagen in der Luft bleiben und Überwachungsdaten liefern, ohne zwangsläufig entdeckt zu werden. Zudem sind Drohnen grundsätzlich im Vergleich zu herkömmlichen bemannten Kampfflugzeugen in der Anschaffung verhältnismäßig günstig. Dies alles hat zu einem extremen Anstieg in der Beschaffung und dem Einsatz von Drohnen durch Staaten in den letzten zehn Jahren geführt.

Gleichwohl ist das Image der Drohnen als Waffe in der Allgemeinheit schlecht. Vielfach werden sie als Teufelszeug angesehen, das aus dem Nichts heraus Menschen tötet. Der auf wackliger rechtlicher Grundlage erfolgte massive Einsatz von Drohnenwaffen der USA gegen tatsächliche oder potentielle Terroristen mit großen zivilen Verlusten in Pakistan hat sicher zu der breiten Ablehnung von Drohnen beigetrage. Allerdings muss man hierbei berücksichtigen, dass sich die USA mit Pakistan nicht in einem bewaffneten Konflikt befinden, so dass sich hier das humanitäre Völkerrecht nicht anwenden lässt und der Einsatz vielmehr den Menschenrechten unterliegt. Zweifellos ist die Praxis der Nutzung von Drohnen zur gezielten Tötung mehrheitlich nicht mit dem anwendbaren restriktiveren Schutzstandard der internationalen Menschenrechte oder des nationalen Rechts zu vereinbaren. 

Die nun folgende Untersuchung beschränkt sich jedoch auf die Schwierigkeiten, die bei der Anwendung im bewaffneten Konflikt, folglich aus humanitär-völkerrechtlicher Sicht, zu berücksichtigen sind.  Die grundlegenden Prinzipien der Menschlichkeit, Unterscheidung und Verhältnismäßigkeit werden dabei besonders beleuchtet.

Der Drohneneinsatz und das Erfordernis der Humanität

Das Grundprinzip der Menschlichkeit stellt im Humanitären Völkerrecht das Gegengewicht zum Grundsatz der militärischen Notwendigkeit dar und beschränkt die Handlungsspielräume der am Konflikt beteiligten Personen hinsichtlich der Stärke und der Art der eingesetzten Gewaltmittel. Weder Überwachungs- noch Kampfdrohnen stehen im Widerspruch zum Prinzip der Menschlichkeit, denn durch ihre technische Beschaffenheit verursachen sie keine überflüssigen Schaden oder Verletzungen. Deshalb werden sie grundsätzlich den Erfordernissen des Art. 36 ZP I hinsichtlich der Einführung neuer Waffensysteme gerecht.

Dennoch ergeben sich aus der Sicht des Humanitätsprinzips Probleme beim Drohneneinsatz. So wird verschiedentlich argumentiert, durch die Drohnenkriegsführung könnten die  Parteien eines Konflikts die Gefangennahme und Festsetzung von Personen umgehen. Damit würde eine Maßnahme, die der Beachtung der Humanität im bewaffneten Konflikt dient, nicht mehr zur Anwendung kommen. Befürchtet wird auch, dass ein einmal begonnener Angriffe entgegen Art. 57 ZP I nicht mehr abgebrochen werden könnte, wenn sich Veränderungen bezüglich des anvisieren Zieles ergeben. Allerdings lässt sich dieser Einwand nicht auf den Drohnenkrieg einschränken, denn vergleichbare Schwierigkeiten bestehen, wenn ein Luftwaffeneinsatz über feindlichem Gebiet erfolgt, der nicht durch eine Form von Bodenunterstützung begleitet wird. So kann ein sich ergebender Gegner weder von der Luftwaffe noch von einer Drohne festgesetzt werden, um danach durch die Landstreitkräfte in Gewahrsam genommen zu werden.

Notwendige Vorsichtsmaßnahmen

Insbesondere das Erfordernis des Schutzes der Zivilbevölkerung im bewaffneten Konflikt hat die Entwicklung des humanitären Völkerrechts geprägt. Die Verpflichtung der Kriegsparteien Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz von Zivilisten vor einem Angriff durchzuführen, um die Folgen des Angriffs auf die Zivilbevölkerung weitmöglich zu minimieren, ist ein integraler Bestandteil dieser Entwicklung. Das HPCR Manual und seine Kommentare verweisen explizit auf die Anwendbarkeit dieser Verpflichtung auf den Einsatz von Drohnen und ebenso auf mögliche Vorteile, die eine solche hochentwickelte Technik bietet: “2. UAVs can be a useful asset in complying with the obligation to take feasible precautions in attack […] Hence, if available and when their use is feasible, UAVs ought to be employed in order to enhance reliability of collateral damage estimates”.

Die Verpflichtung, einen Angriff abzubrechen oder aufzuschieben,  wenn sich herausstellt, dass das anvisierte Ziel kein militärisches und folglich rechtlich geschützt ist (Artikels 57 (2) ZP I), ist durch die neue Technik leichter einzuhalten. Das gleiche kann man über die Anforderungen des Artikels 57 (3) sagen, Ziele zu identifizieren und anzugreifen, “on which may be expected to cause the least danger to civilian lived and to civilian objects.” Ebenso wie beim Einsatz konventioneller bemannter Militärflugzeuge kann der Abbruch einer Angriffshandlung  bis zur letzten Phase des Angriffes erfolgen.

Das gleiche gilt für das nach Artikel 41 ZP I festgeschriebene Verbot, Personen anzugreifen, die sich ergeben haben. Ob nun Kampfdrohnen diese Vorschrift in einem größeren Maße umsetzen können hängt von der eigentlichen Technologie und dem Operator ab, der die Daten überwacht. Das HPCR Manual stellt diesbezüglich fest: “[…] such assessments by remote operators may be more reliable than those of aircrews on the scene facing enemy defences and other distractions”. Somit ist einzuschätzen, dass die technischen Vorteile der hochentwickelten Drohnen die Einhaltung der humanitär-völkerrechtlichen Regelungen erleichtern können. Wie bei jedem Waffensystem hängt dies letztendlich jedoch von den Personen ab, die die Kommandos geben und die Drohne steuern.

Erlaubte Kriegslisten und verbotene Heimtücke

Angesichts der technischen Vorteile von Drohnen stellt sich die Frage, ob der Einsatz die Schwelle zur rechtswidrigen Perfidie überschreitet, da die Anzugreifenden wahrscheinlich den bevorstehenden Angriff nicht absehen können. Das humanitäre Völkerrecht kennt zwei Methoden der Kriegsführung, wobei die eine rechtlich erlaubt und die andere verboten ist. Kriegslisten sind rechtmäßige Handlungen, “which are intended to mislead and adversary or to induce him to act recklessly but which infringe not rule of international law applicable in armed conflict”. Diese Formulierung des Artikel 37 (2) ZP I grenzt die Kriegslist eindeutig von der Heimtücke ab. Diese sind nämlich  “acts of inviting the confidence of an adversary to lead him to believe that he is entitled to, or is obliged to accord, protection under the rules of international law applicable in armed conflict, with intent to betray that confidence […]”. Die Heimtücke ist rechtswidrig und strafbar.

Im Lichte beider Definitionen ergibt sich, dass der Einsatz von Drohnen nicht heimtückisch ist, da sie nicht zur Hintergehung des gegnerischen Vertrauens gewählt wurden und nicht den mit den gegebenen Beispielen des Artikels 37 (1) (a-d) entsprechen.  Man könnte ihren Einsatz allerdings als Kriegslist werten, da sie ihre Ziele beinahe lautlos angreifen. Dies jedoch wäre nicht rechtswidrig, sondern stellt vielmehr eine rechtmäßige Methode der Kriegsführung dar.

Das Unterscheidungsgebot des humanitären Völkerrechts

Anders als das Prinzip der Humanität, dass eher eine moralische Dimension hat und rechtlich nicht definiert werden kann, entfaltet das Unterscheidungsprinzip konkrete juristische Wirkungen bezüglich der Regelung von Angriffshandlungen. Als Kodifizierung von geltendem Gewohnheitsrecht verlangt Artikel 48 ZP I von allen Kriegsparteien zu jeder Zeit zwischen Kombattanten und Zivilisten und ebenso zwischen zivilen und militärischen Objekten zu unterscheiden. Um diesem Grundsatz zu entsprechen muss jeder Angriff folglich diskriminierend sein, das heißt in der Lage, ein konkret ausgewähltes Ziel anzugreifen und nicht unterschiedslos Personen oder Objekte zu treffen.

Neben den allgemeinen Regelungen zur Angriffsführung gibt es einige spezifischere Bestimmungen zu Luftangriffen, die auch auf Angriffe durch Drohnen angewendet werden müssen. Artikel 25 der fünften Haager Konvention verbiete explizit flächendeckende Bombardements von unverteidigten Städten und Dörfern, während Artikel 26 vorschreibt, im Falle von Luftbombardierungen die entsprechenden Hoheitsträger vorzuwarnen. Diese Regelungen sind auch auf Drohnen anzuwenden und verbieten Drohnenangriffe, wenn sie unterschiedslos wirken.

In der Durchführungsphase eines Angriffes wird dieser unterschiedslos und damit rechtswidrig, wenn er gegen Zivilisten, zivile Objekte oder auch geschützte Stätten gerichtet wird oder diese unterschiedslos in Angriffe gegen militärische Ziele mit einbezieht. Drohnen werden in aller Regel nicht an sich als Waffe eingesetzt, sondern vielmehr als Träger für die entsprechenden Waffen. Die Hellfire-Raketen, die mehrheitlich zum Angriff eingesetzt werden sind Präzisionswaffen, die einer entsprechend vorangehenden Markierung des Zieles durch Laser folgen. Diese Hellfire-Raketen sind mit einem Explosionsradius von etwa 3-5 Metern technisch in der Lage, das Verbot unterschiedsloser Handlungen einzuhalten und nicht unterschiedslos gegen Ziele zu wirken.

Die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines Drohneneinsatzes stellt sich im Hinblick auf die Umständen und die konkreten Einsatzbestimmungen, weniger im Hinblick auf die Technologie selbst. Im Falle einer Fehlinformation über den Status des Zieles oder aber das vermeintliche Ziel wird nach Start der Drohne als unrechtmäßiges Ziel identifiziert, dann muss ein Angriff in jedem Fall sofort angebrochen werden. Aus diesem Grund werden zur Unterstützung des Angriffes vielfach noch auf Informanden am Boden zurück gegriffen, um die Identität von Zielen zu bestätigen. Insbesondere in dieser Hinsicht muss erneut auf den technischen Vorteil des Einsatzes von Drohnen verwiesen werden. Die Drohne selbst oder in Zusammenarbeit mit den Daten zusätzlicher Überwachungsdrohnen, liefern auf Grund ihrer Aufklärungstechnologie äußerst akkurate Informationen über Ziele. Die Fähigkeit Stunden- oder bis zu Tage-lang Aufklärung zu betreiben und die Angriffe selbst mit größter Präzision durchzuführen, lässt sie zu einer ernst zu nehmenden Alternative zur konventionellen Luftkriegsführung werden.  Vor diesem Hintergrund folgert Singer, einer der bekanntesten Befürworter von Drohneneinsätzen: “unmanned systems seem to offer several ways of reducing the mistakes and unintended costs of war, including by using far better sensor and processing powers […] allowing decisions to be made in a more deliberate manner and remov(ing) the anger and emotions from the humans behind them.”

Gleichwohl besteht natürlich auch bei Drohnen wie bei jedem hochentwickelten Waffensystem die Gefahr erheblicher Kollateralschäden. Das Prinzip der Unterscheidung wird aber dann nicht verletzt, wenn es während der Planung und Vorbereitung von Angriffen durch die Befehlshaber entsprechen beachtet wird. In der Theorie zumindest kann der Einsatz von Drohnen bei entsprechender Vorkehrung das Risiko eines unzulässigen Kollateralschadens minimieren.

Der Status des am Drohnenangriff beteiligten Personals

Der Unterscheidungsgrundsatz kennzeichnet auch die rechtliche Bewertung der Handlungen von Kombattanten im Unterschied zu Zivilisten. Rechtlich völlig unproblematisch ist der Status von an Drohnenangriffen beteiligten Personen dann, wenn diese Angehörige der Streitkräfte sind. Dann sind sie als Kombattanten zur Vornahme bewaffneter Schädigungshandlungen beim Gegner berechtigt. Freilich hat dies eine weitreichende Konsequenz, denn wenn der Lenker einer solchen Drohne in den USA tätig wird, das von ihm gelenkte Waffensystem aber auf einem anderen Kontinent eingesetzt wird, dann kommt es zu einer enormen Ausdehnung des Kriegsschauplatzes. Jeder kleine Konflikt kann so zum „Weltkrieg“ werden und dies dient natürlich nicht der rechtlichen Klarheit. Zu hinterfragen ist auch, ob die Nutzung von Relaisstationen in Staaten, die ansonsten neutral wären, diese ebenfalls zu Konfliktparteien macht. In dieser enormen räumlichen Ausdehnung des Drohnenkrieges liegt eine echte Gefahr.

Problematisch ist jedoch auch die mögliche Beteiligung von zivilem Personal oder Geheimdienstlern, wie es in der jüngsten Praxis der CIA deutlich wurde. Weder Zivilisten noch Geheimdienstler können selbst bei weiter Auslegung von Artikel 4 der dritten Genfer Konvention unter die Kategorien eines Kombattanten, eines Mitglieds einer Miliz oder eines Freiwilligenkorps subsumiert werden.  Ein ziviler Operator, der die Drohne kontrolliert und den Angriffsbefehl ausführt ist rechtlich nicht privilegiert, direkt an den Feindseligkeiten teilzunahmen. Diese Einschätzung wird zutreffend durch Dinstein und den Israelischen Höchsten Gerichtshof vertreten. Im Fall des Operators ist diese rechtliche Einschätzung relativ einfach. Der Zivilist, der sich beteiligt, tut dies unrechtmäßig und büßt damit seinen Schutz vor direkten Angriffen gemäß den Vorgaben des Artikels 51 (3) ZP I ein. Unklarer gestaltet sich die Lage dann, wenn ein Zivilist die Drohne nicht direkt lenkt, sondern eine der vielen unterstützenden Arbeitsschritte wie das Programmieren von Flugrouten, die Instandhaltung der Drohnen oder das Auftanken vor einem Angriff vornimmt.  Hier wird eine genaue Differenzierung unabdingbar.  Das International Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat im Rahmen der drei Kriterien zur Bestimmung einer direkten Beteiligung an Feindseligkeiten traditionell mit dem Ansatz eines direkten kausalen Zusammenhangs gearbeitet, wonach die entsprechende Handlung in direkter Kausalität zur Schädigung führen muss. Auf dem dritten Expertentreffen zur direkten Beteiligung 2006 wurde dieser Ansatz  in Frage gestellt, da insbesondere der Einsatz modernen Kriegstechnologien eine solch umfangreiche technische Expertise voraussetzt, als das normales Personal diesen Herausforderungen gerecht werden könnte. Der Einsatz mehrerer Techniker und anderen Personals, das unterschiedliche Arbeitsschritte vor dem eigentlichen Start der Drohne ausführt, führt zu folgender Schlussfolgerung: “It has to be recognized that the contemporary reality of warfare involves a multitude of personnel and very complex weapons systems controlled by computer systems that have in turn been programmed in advance by computer specialists.” […] In addition to the individual guiding the aircraft, there may well be an individual illuminating the target, and guidance may be received from another platform, an AWACS aircraft flying overhead with various individuals performing various functions. Thus, the question of uninterrupted linkage could become very complex.”

Die traditionelle Herangehensweise einer direkten Kausalität zwischen Handlung und Folge kann beim Einsatz von Hochtechnolgien nicht mehr völlig überzeugen. Daher folgert Schmitt, jegliche Handlungen, die für die Folge „integral“ seien, müssten einbezogen werden. Angewendet auf die angeführte Fallkonstellation ist in Übereinstimmung mit dem IKRK und dem HPCR Manual davon auszugehen, dass das Programmieren der Flugroute, das Betanken der Maschine und sonstige zum Starten entscheidende Arbeitsschritte eine direkte Beteiligung darstellen, da sie alle vorbereitender Natur sind und auf die Herbeiführung der Schädigung abzielen. Im Gegensatz dazu allerdings muss man die Beteiligung zivilen Personals bei der Flugnachbereitung werten, dessen Handeln keinen direkten Beitrag zu den Schädigungen darstellt. Allerdings muss man festhalten, dass technisches Personal auch bei der Nachbereitung das eigene Risiko erhöht, Teil eines legitimen Kollateralschadens (Artikel 51 4b ZP I) zu werden.

Der Status von an Aufklärungsflügen beteiligtem Personal

Die unbewaffnete Drohne wird eingesetzt, um Informationen zu sammeln, mögliche Ziele zu identifizieren und zu überwachen. Dieses sind legitime Handlungen während eines bewaffneten Konfliktes, ohne dass es in jedem Fall zu einer eigentlichen Schädigungshandlung kommt: “the employment of measures necessary for obtaining information about the enemy and  the country are considered permissible.” Daraus ist zu schlussfolgern, dass die Informationsbeschaffung und Aufklärung ausschließlich zu einer indirekten Schädigung führe und damit keine direkte Beteiligung des Zivilisten an den Feindseligkeiten darstellen. Dem widerspricht allerdings, dass die Informationen, zu deren Beschaffung Drohnen beigetragen haben, dazu dienen, einzelne Ziele zu identifizieren und Operationen auf diese Informationen gestützt werden. Daraus könnte abgeleitet werden, dass ein Zivilist, der eine unbewaffnete Drohne steuert, immer dann direkt und rechtswidrig an den Feindseligkeiten teilnimmt, wenn die beschafften Informationen direkt für eine militärische Operation weiter verwertet werden. Eine weniger direkte Weiternutzung in einer bewaffneten Militäraktion würde dementsprechend diese Einschätzung ändern, eine Frage, die letztlich in Einzelfallentscheidungen bestimmt werden muss.

Die Verhältnismäßigkeit im Drohnenangriff

Jede militärische Operation hat weiterhin das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Folglich muss auch beim Einsatz von Drohnen sicherstellt werden, dass der erwartete Kollateralschaden im Verhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil steht. Der Einsatz von Drohnen wie auch der Einsatz konventioneller Waffen oder Waffensysteme kann technisch gesehen die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit erfüllen. Die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit richtet sich daher nach der Einsatzplanung und der Einschätzung des Kommandierenden, aber weniger nach der Rechtmäßigkeit des einzusetzenden Instrumentes, das den Befehl in die Tat umsetzt. Kritik am Einsatz von Drohnen hat es vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit insbesondere bezüglich des Kollateralschadens und der psychologischen Folgen des Einsatzes in den letzten Jahren gegeben. Die Unverhältnismäßigkeit mit der militärischen Zielsetzung stehen hier im Vordergrund, da die Schäden und Verletzungen der Zivilbevölkerung anzusteigen scheinen. Der Kommandeur oder Operator des UAVs/UCAVs  muss sicherstellen, dass der Einsatz von Drohnen den entscheidenden militärischen Vorteil erzielt, eine Rechnung, die auf einer Einzelfallprüfung beruht. Manche Autoren wollen vor diesem Hintergrund auch eine relativ hohe Anzahl von zivilen Opfern als verhältnismäßig einstufen, wenn es sich bei dem militärischen Ziel um einen hochrangigen gegnerischen Kombattanten handelt. Andererseits werden Angriffe gegen niedrig-rangige Ziele an öffentlichen Orten, die eine hohe Gefährdung von Zivilisten mit sich bringen, mehrheitlich als eine Verletzung der Verhältnismäßigkeit angesehen.

Eine solche Betrachtungsweise findet freilich nicht nur bei Drohnen Anwendung. Der technologische Vorteil ermöglicht grundsätzlich die höchst präzise Identifikation militärischer Ziele, wodurch Kollateralschäden minimiert werden könnten. Folglich widersprechen Drohnen nicht von vorneherein dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des humanitären Völkerrechts.

Rechtliche Grauzonen des Drohneneinsatzes im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt

Rechtliche Aufmerksamkeit ist insbesondere dem Einsatz von Drohnen in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten zuzuwenden. Besondere Probleme tun sich hinsichtlich der möglichen Beteiligung von Zivilisten auf, denn das Recht des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts kennt die Rechtsfigur des Kombattanten nicht. Die  größten Teile der Genfer Konventionen sowie das erste Zusatzprotokoll sind nicht auf Individuen anwendbar, die für eine nicht-staatliche Konfliktpartei kämpfen. Sie sind weder Kombattanten noch Zivilisten, sondern werden vielfach als Kämpfer oder illegale Kombattanten bezeichnet. Aber auch diese Eingruppierung berechtigt sie nicht zur direkten Teilnahme an den Kämpfen. Die damit verbundenen Fragen beschäftigen die Rechtswissenschaft seit langem. Mit der massenhaften Herstellung von Drohnen durch zukünftig viele Staaten, ihren immer niedrigeren Preis, der Zunahme organisierter Kriminalität und des Terrorismus sowie der großen Zahl von failing states bekommt das Problem der Verwicklung von Zivilisten in Drohnenkonflikte eine neue Dimension. Beteiligt sich ein Kämpfer einer nicht-staatlichen Konfliktpartei an dem Einsatz einer Drohne, dann handelt er als Krimineller. Ihm steht keine Immunität für diese Handlung zu, wie Artikel 6(5) ZP II festschreibt. Diese Person genießt folglich keinerlei Schutz durch die Genfer Konventionen, allerdings ist sie auch nicht an sie gebunden.

Ein weiteres Problem, das sich mit dem Einsatz von Drohnen im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt stellt, ist die Ausdehnung des Anwendungsgebietes des humanitären Völkerrechts. Der Aufenthaltsort des Drohnenoperators spielt für die geographische Frage der Anwendung keine Rolle. Das humanitäre Völkerrecht unterscheidet nicht, ob Raketen von Kriegsschiffen vor den Küsten oder Bodenstationen abgeschossen werden. Das Problem, welches hierbei entsteht, ist die mögliche Ausdehnung des eigentlichen Kampfgeschehens. Die Drohne, die Bodenstation sowie die Kommunikationsverbindung über den Satelliten kann jetzt als gegnerisches militärisches Ziel angesehen werden. Es ist also vorstellbar, dass die Kontrollstation eines Drohneneinsatzes in Nevada zum legitimen militärischen Ziel wird, obwohl das eigentliche Kampfgeschehen im Nahen Osten oder in Afrika tobt.

Der geographische Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts hat bereits in den letzten Jahren Anstoß zur rechtlichen Debatte gegeben. Der gemeinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen beschreibt den territorialen Anwendungsbereich der Konventionen als das Gebiet der am Konflikt beteiligten Vertragsstaaten. Falls die Regelungen des zweiten Zusatzprotokolls ebenfalls Anwendung finden, wird der Anwendungsbereich weiter auf das Gebiet, das unter Kontrolle der nicht-staatlichen Konfliktpartei steht, eingeschränkt. Somit stellen sowohl die Genfer Konventionen als auch das Zusatzprotokoll  eine geographische Beschränkung des Anwendungsgebietes des humanitären Völkerrechts dar. Die entsprechenden Rechtsgrundlagen des zweiten Zusatzprotokolls schränken den Anwendungsbereich weiter ein. Entscheidend ist nun das geographische Gebiet, das unter der Kontrolle des nicht-staatlichen Gewaltakteurs steht, wodurch der Anwendungsbereich im Sinne des Artikel 1 eingeengt wird. Allerdings machen die Regelungen des Zusatzprotokolls, obwohl sie restriktivere sind, den Anwendungsbereich an den beteiligten Personen fest, die an den Feindseligkeiten teilnehmen, ohne dass deren genauer Standort relevant ist. In dem bekannten Tadic-Urteil des ICTY wendeten die Richter eine weitere Interpretation der Rechtsgrundlagen an und weichten so die engere geographische Anwendung des humanitären Völkerrechts auf. Wenn nun die Bodenstation der eingesetzten Drohnen außerhalb des eigentlichen Kampfgeschehens liegt, weitet sich das Konfliktgebiet aus, bis es auch deren Standort umfasst. Somit wird humanitäres Völkerrecht flächendeckender angewandt und benötigt weitergehende menschenrechtliche Schutzstandards bei tödlichen Angriffen.

Zusammenfassung 

In den letzten Jahren kann ein klarer Trend erkannt werden. Aufklärungs- aber zunehmend auch Kampfdrohnen werden immer häufiger von einer stetig wachsenden Anzahl von Staaten eingesetzt. Nicht nur ihre verhältnismäßig günstige Beschaffung sondern auch ihre technischen Vorteile, die bessere Aufklärung bei gleichzeitigem Schutz der eigenen Streitkräfte sind dafür ausschlaggebend. Nicht nur in der Öffentlichkeit sondern auch unter Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen wächst jedoch die Kritik an der Technologie und ihrem Einsatz. Die Einwände gegen die Waffendrohnen resultieren zum einen aus psychologischen Vorbehalten. Vielfach wird befürchtet, dass die räumliche Trennung des Drohnen Operators vom Schlachtfeld und die joy-stick-Mentalität zu einem leichtfertigen Umgang mit Menschenleben führen könnte. Das Schießen auf Menschen würde dann zu einer „sauberen“ Arbeit am Computer, die Humanität, die auch im bewaffneten Konflikt zu berücksichtigen ist, bliebe bei dieser Entwicklung auf der Strecke. Befürchtet wird zudem vielfach, dass die Drohnen erst der Einstieg in das Zeitalter der Automatisierung der Kriegsführung sind. Zunehmend übernehmen „intelligente“ Waffen eigenständig Entscheidungen über Kampfmethoden und Zielauswahl. Kann das humanitäre Völkerrecht diese technologische Entwicklung noch effektiv regulieren? Die Analyse der einzelnen Prinzipien des humanitären Völkerrechts hat ergeben, dass der Einsatz von Drohnen nicht per se gegen die das humanitäre Völkerrecht verstößt, die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Einsatzes maßgeblich von dem steuernden und befehlenden Personal abhängt. Daher muss in jedem Falle sichergestellt werden, dass der Drohneneinsatz von Menschen kontrolliert wird, die an den bestehenden humanitär-völkerrechtlichen Rahmen gebunden sind. Bei Verletzung des bestehenden Rechts können sie für den Drohneneinsatz zur Verantwortung gezogen werden. Die Bindung der Kommandeure und Operatoren an das humanitär-völkerrechtliche Regelwerk ist folglich ein entscheidendes Mittel um die Rechtmäßigkeit von Drohneneinsätzen sicherzustellen.

Einige Konsequenzen des Drohneneinsatzes lassen sich jedoch nur schwerlich kontrollieren oder verhindern. So ist etwa die territoriale Ausdehnung des „theater of war“ sehr bedenklich, da räumliche Distanzen zwischen Drohne und Operator oder Kontrollbasis kaum mehr eine Rolle spielen. Schlagartig könnte großflächig und Staatenübergreifend das humanitäre Völkerrecht zur Anwendung kommen, mit der Konsequenz, dass eine Vielzahl weltweit verstreuter Kombattanten zu bewaffneten Schädigungshandlungen gegenüber einer ganzen Reihe von gegnerischen Parteien berechtigt wären. Es ist kaum vorstellbar, welche Konsequenzen dies für die internationale Zusammenarbeit in einer interdependenten Welt haben würde. Es gibt somit gute Gründe, der zunehmenden Ausbreitung bewaffneter Drohnen kritisch gegenüber zu stehen. Eindeutig bleibt, dass der Einsatz von Drohnen in jedem bewaffneten Konflikt durch das humanitäre Völkerrecht reguliert und beschränkt wird und daher eine strikte Interpretation und Einhaltung der bestehenden Regeln von entscheidender Bedeutung zur Eingrenzung dieser neuen Waffentechnologie sind.

Quelle: Online-Zeitung Schattenblick, www.schattenblick.de