rss search

Die Bombardierung der entführten Tanklaster bei Kundus und die rechtliche Aufarbeitung in Straf-, Disziplinar-und Amtshaftungsrecht

line

arrow-back-1zurück

line

Arbeitsgruppe IV: „Die Bombardierung der entführten Tanklaster bei Kundus und die rechtliche Aufarbeitung in Straf-, Disziplinar-und Amtshaftungsrecht“

A. Struktur

Die Arbeitsgruppe tagte am 27.04.2013 knapp 2,5 Stunden mit ca. 30 Mitgliedern. Die Moderation hatten Dr. Bernd Asbrock und Uwe Boysen. Diskutanten mit Kurzbeiträgen waren: Karim Popal und Prof. Dr. Peter Derleder (die Prozessbevollmächtigten in den Schadenersatzklagen) , sowie Dr. Gerd Hankel vom Hamburger Institut für Sozialforschung und Prof. Dr. Daniel-Erasmus Khan (Bundeswehr-Universität München). (Dr. Helmut Kramer musste krankheitsbedingt absagen.) Rapporteur war Gerhard Baisch.

B. Materialien 

1. allgemein 

  1. a) Bericht des Kundus-Untersuchungsausschusses vom 25.10.2011 -BT-Drs. 17/ 7400
  2. b) Verfasssungsbeschwerde vom 15.3.2011 von RA. Kaleck im Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein
  3. c) Schadensersatzklage der RAe. Popal und Derleder zum LG Bonn vom 01.12.2011
  4. d) NDR-Streitkräfte und Strategien vom 06.04.2013 (Andreas Dawidzinski) zur disziplinarrechtlichen Seite

2. von den Diskutanten vorgelegt (sämtliche Papiere auf der website der IALANA eingestellt)

  1. a) Eine PP-Präsentation von Prof. Dr. Daniel-Erasmus Khan
  2. b) Einen Aufriss seines Referats von Dr. Gerd Hankel
  3. c) Einen Aufsatz von Prof. Dr. Peter Derleder aus der Festschrift für Günter Frankenberg, 2012, mit dem Titel: „Die Umsetzung des humanitären Völkerrechts zum Schutz von Zivilpersonen in Individualhaftungsansprüche nach deutschem Recht“

Verlauf

Namens der Moderatoren begrüßte Dr. Asbrock die Diskutanten, stellte sie vor und führte in den Sachstand der verschiedenen Verfahren ein: Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Bundestags: Untersuchungsbericht von Oktober 2011; Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Oberst Klein durch den Generalbundesanwalt vom 16.04.2010 und Ablehnung im Klageerzwingungsverfahren durch das OLG Düsseldorf am 16.02.2011; dagegen Verfassungsbeschwerde, die noch nicht entschieden ist. -Zivilrechtlich: Schadenersatzklage für zwei Opfer ist seit Ende 2011 beim LG Bonn anhängig ; nach mündlicher Verhandlung vom 20.03.2013 ist in diesem Prozess Beweisbeschluss ergangen, wonach die Bundesregierung den Mitschnitt der Telefongespräche der Bomberpiloten mit Oberst Klein und die durch die Piloten übermittelten Videobilder der Situation vor Ort vorlegen soll. -In einem weiteren Verfahren vor dem LG Bonn sind Ende 2012 die Schadenersatzklagen der übrigen Opfer anhängig geworden. Diese Verfahren sind noch im Prozesskostenhilfestadium. -Die disziplinarischen Vorermittlungen wurden nach der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im August 2010 eingestellt, obwohl Oberst Klein unstreitig gegen verschiedene ISAF-Einsatzregeln verstoßen hatte; inzwischen wurde er zum Brigadegeneral befördert.

Karim Popal schilderte die Geschehnisse vom 03./04.09.2009 und die ersten Schritte zur Feststellung der Abläufe.

Anschließend referierte Prof. Dr. Khan anhand einer PP-Präsentation. Kern seiner Ausführungen war das Zusammenspiel der strafrechtlichen Normen mit dem humanitären Völkerrecht: wenn das Völkerrecht eine Handlung erlaubt, kann dem Betreffenden kein Strafbarkeitsvorwurf gemacht

werden. Dabei wurde auch ein auf Youtube eingestelltes kurzes s-w-Video von 1,5 Min aus den Aufzeichnungen der Bomberpiloten eingespielt, um einen Eindruck von der Situation auf der Sandbank zu haben. Popal wies dazu darauf hin, dass insgesamt Videoaufzeichnungen von ca. 30 Min Länge, in Farbe und hinsichtlich der Auflösung von besserer Qualität existierten.

Prof. Dr. Derleder stellte die Schadenersatzklagen vor dem LG Bonn in den Zusammenhang der bereits früher von diesem Gericht verhandelten Verfahren Distomo und Varvarin.

Abschließend erläuterte Dr. Hankel seinen Ansatz „Die Toten von Kundus und anderswo als Mahnung an das -defizitäre-humanitäre Völkerrecht“.

Es blieben dann ca. 40 Minuten für die Diskussion, die von Beginn an unter Einbeziehung aller Teilnehmer erfolgte.

D. Aus den Referaten und der Diskussion 

1. Zum Sachverhalt und der Klage vor dem LG Bonn auf Schadensersatz 

Karim Popal hob folgende Umstände hervor:

Die offiziellen Berichte über den Angriff bei Kundus von Seiten der Bundeswehr sind im wesentlichen als geheim deklariert worden. Von Anfang an wurde von offizieller Seite eine Politik der Verschleierung betrieben. Das wurde offenkundig bei der Manipulation mit der Zahl der Opfer. Der Bericht der ISAF-Untersuchung blieb bis heute geheim; durch gesickert ist, dass er von 142 Toten ausgeht. Popal selbst war kurz nach dem Ereignis im Oktober 2009 vor Ort in Kundus und konnte mit vielen Betroffenen sprechen. Weiter hat er ein Rechercheteam bilden können von afghanischen Frauen, die offen mit den Frauen der Opfer reden konnten. Hilfreich waren für ihn auch die Recherchen der Journalisten Guttsch und Gebauer von spiegel-online, die einige Soldaten interviewen konnten. So wurden von Popal schließlich 137 Opfer festgestellt.

Anfangs hatten sich die Tanklaster nach der Entführung vom Feldlager Kundus weg bewegt, bis sie sich in der Furt festfuhren. -Weiter waren an der Entführung der Tanklaster zunächst 18-20 Talibankämpfer beteiligt, jedoch entfernten sich diese bis auf 2-3 bewaffnete Taliban bereits gegen

20:30 Uhr am 03.09. von der Sandbank , während in den Stunden danach die Tanklaster von Bewohnern der umliegenden Dörfern geleichtert wurden.

Mit Ausnahme des einen überlebenden Fahrers eines Tanklasters werden sämtliche Opfer mit ihren Schadenersatzklagen unverändert von Karim Popal vertreten. (Der Fahrer wollte beim Verwaltungsgericht in Köln die Unrechtmäßigkeit des Bombenabwurfs feststellen lassen, scheiterte jedoch damit aus prozessualen Gründen. Dieser Prozess ist aber für die zivilrechtlichen Schadenersatzklagen ohne Bedeutung.)

Prof. Dr. Peter Derleder bewertete die juristische Seite der Schadenersatzklagen. Im Distomo-Urteil habe das Bundesverfassungsgericht unter Verweis auf Art. 3 des IV. Haager Abkommens zwar anerkannt, dass Privatpersonen als partielle Völkerrechtssubjekte auch Rechte haben könnten. Jedoch stünden sekundärrechtliche Schadensersatzansprüche wegen völkerrechtswidriger Handlungen grundsätzlich nach wie vor nur dem Heimatstaat zu. Danach habe sich jedoch -s. BGH 2003 im Distomo-Fall -als Ansatz herausgebildet, dass die inländische Staatshaftung als sedes materiae in Frage komme. Derleder verwies dazu auf den Aufsatz von Anatol Dutta, Amtshaftung bei bewaffneten Auslandseinsätzen, Archiv des öffentlichen Rechts, 133 (2008) S. 191ff.

Die Staatshaftungskammer beim Landgericht Bonn sei gut orientiert in der Materie, da sie bereits in den Verfahren Distomo und Varvarin tätig gewesen sei. Sie habe mit dem Beweisbeschluss vom 17.04.2013 in der jetzigen Kundus-Klage immanent entschieden, dass das Völkerrecht zumindest einen Amtshaftungsanspruch nach deutschem Recht nicht ausschließe. Zur Frage, ob das

Völkerrecht auch einen Direktanspruch der Opfer gegen die BRD begründen könne, habe das Gericht nicht den Weg nach Art. 100 Abs.2 Grundgesetz gewählt.

<Art.100 Abs.2 GG: „Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.“>

Vielmehr habe das LG Bonn in dem jetzigen Prozess den Hinweis auf das Amtshaftungsrecht aufgenommen. Besonders beachtlich sei, dass sich das Gericht anhand des Sprechfunkverkehrs des Oberst Klein mit den Piloten und der Videoaufnahmen ein eigenes Bild vom Geschehen auf der Sandbank machen wolle. Offenbar habe es abgelehnt, dem Militär bei der Bewertung des nach humanitären Völkerrecht Zulässigen einen Beurteilungsspielraum einzuräumen (mit der Folge sehr eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle). Weiter habe das Gericht aus Art. 51 ZP I (Vorschriften zum Schutz der Zivilbevölkerung) „drittgerichtete Amtspflichten“ der handelnden Militärs zum Schutz der Zivilbevölkerung entnommen. Insgesamt stimme der Prozessstand hoffnungsvoll.

2. Strafverfahren

Prof. Dr. Khan zeichnete kurz die Entwicklung zum humanitären Völkerrecht nach, von Ciceros „silent enim leges inter arma“ (Unter den Waffen schweigen die Gesetze) bis zu den Genfer Zusatzprotokollen von 1977. Elementar ist die Unterscheidung von Kombattanten und Zivilisten , sowie die Grundregel zum Schutz der Zivilbevölkerung in Art. 48 ZP I: 

„Um Schonung und Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte zu gewährleisten, unterscheiden die am Konflikt beteiligten Parteien jederzeit zwischen der Zivilbevölkerung und Kombattanten sowie zwischen zivilen Objekten und militärischen Zielen; sie dürfen daher ihre Kriegshandlungen nur gegen militärische Ziele richten.“ 

Im Hinblick auf den aus den Zuhörern erhobenen Einwand, die USA hätten das Zusatzprotokoll nicht unterzeichnet, erwiderte Khan, dieser Grundsatz gelte inzwischen nach allgemeiner Auffassung gewohnheitsrechtlich, binde daher auch die USA.

Nach dem Angriff auf die Menschen auf der Sandbank bei Kundus habe die Staatsanwaltschaft hinsichtlich Oberst Klein und „Baron Red“ (Hfw. Wilhelm) strafrechtliche Vorwürfe anhand des Völkerstrafgesetzbuchs und nach allgemeinem Strafrecht (StGB) zu prüfen gehabt. Nach dem VStGB kommt man über die §§ 1 und 7 zu der einschlägigen Vorschrift des § 11 Abs.1 Ziff.3 VStGB: 

Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nicht-internationalen bewaffneten Konflikt…mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen….in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht….wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.“ 

Im Fall Kundus fehlte es bei den Beschuldigten nach Khans Auffassung am geforderten sog. doppelten dolus directus (der Täter muss wollen , dass a) zivile Personen getötet werden und muss wollen, dass b) dies in einem Umfang geschieht, der außer Verhältnis zum militärischen Vorteil steht), zumal es dabei auf die ex-ante-Prognose aus Sicht des Handelnden ankomme Folgerichtig habe sich dann die StA mit den Tatbeständen des allgemeinen Strafrechts befasst und den objektiven und subjektiven Tatbestand des Mordes nach § 211 als erfüllt angesehen für eine gewollte Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln (Bombe).

An dieser Stelle habe die Verzahnung mit dem humanitären Völkerrecht eingesetzt: wenn dieses die Tötung der Zivilisten erlaube, sei sie nach allgemeinem Strafrecht auch gerechtfertigt und der

Handelnde nicht strafbar. Die auf der Sandbank agierenden bewaffneten Talibankämpfer waren ein legitimes militärisches Ziel. Waren die Benzin abzapfenden Menschen Kombattanten? Hierzu fehlte es wohl an dem Merkmal der „unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten“. Mithin blieb als Rechtfertigung nur die Figur des noch hinnehmbaren Kollateralschadens, zu prüfen anhand Art. 57 ZP I (Vorsichtsmaßnahmen beim Angriff).

Hier dürfte insbesondere die Vorschrift nach Art. 57 Ziff. 2 c) ZP I einschlägig sein:

Hier dürfte insbesondere die Vorschrift nach Art. 57 Ziff. 2 c) ZP I einschlägig sein:

Angriffen, durch welche die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen werden kann, muss eine wirksame Warnung vorausgehen, es sei denn, die gegebenen Umstände erlaubten dies nicht.“ 

Die Piloten der US-Bomber hatten mehrfach einen tiefen Überflug vorgeschlagen, um Zivilisten zu warnen, dass ein Angriff drohe. Die Beschuldigten hatten dies mehrfach abgelehnt. Umstände, die dies verboten hätten, sind nicht ersichtlich. Im Einstellungsbescheid wird dies nur lapidar behauptet; insoweit dürfte die Einstellung des Ermittlungsverfahrens problematisch sein.

An dieses Ergebnis anknüpfend beklagte Dr. Gerd Hankel , dass das humanitäre Völkerrecht viel zu viel Gewalt erlaube. Je mehr militärische Auseinandersetzungen mit humanitären Zielen geführt würden, sei die in großem Maßstab erlaubte Tötung ziviler Opfer als Kollateralschaden unerträglich. Offenbar sei das humanitäre Völkerrecht mit seinem Vorrang militärischer Effektivität einem veralteten Kriegsbild verhaftet. Dafür signifikant sei, dass auch Oberst Klein völkerrechtlich kein Verstoß nachgewiesen werde. Die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung seien erschreckend: allein im letzten Irakkrieg seien auf 10.000 Angriffe 170.000 zivile Opfer gekommen, mithin im Schnitt 17 pro Angriff. Weiter sei die interpretatorische Ausdehnung des Kombattantenstatus auf Zivilisten bedenklich, die damit aus dem Schutzbereich fielen. Vor allem aber rügte er die Klausel in Art. 51 ZP I Ziff.5 b), wonach

„unterschiedslose Angriffe…verboten <sc. sind>…Unter anderem sind folgende Angriffsarten als unterschiedslos anzusehen:…..b) ein Angriff, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen.“ 

Das Ergebnis zeige eine Risikoverlagerung zulasten deren, denen eigentlich militärisch geholfen werden solle.

3. Disziplinarverfahren

Die umstandslose Einstellung des Disziplinarverfahrens gegen Oberst Klein wurde nur in der Diskussion angesprochen. Allgemein wurde Unverständnis geäußert, dass die in der ISAF-Untersuchung zahlreich angesprochenen Verstöße von Oberst Klein gegen die rules of engagement , wie z.B.

  • ¬ Weder Feindberührung eigener Truppen noch unmittelbare Bedrohung
  • ¬ Keine eindeutige Identifizierung der Personen an den Tanklastern (nur Angaben 1 Kontaktmannes, statt vorgeschriebener 2)
  • ¬ Keine Durchführung eines von den Piloten vorgeschlagenen „tiefen Überflugs“ zur Warnung von Zivilisten
  • ¬ Keine vorherige Konsultation des Rechtsberaters und des Vorgesetzten (zweifelhaft, ob Oberst Klein als Kommandeur eines PRT-Aufbauteams überhaupt einen offensiven Luftangriff anordnen durfte)
  • ¬ Nach dem Angriff keine vorgeschriebene Schadensbegutachtung („Battle Damage Assessment“)

nicht gewürdigt wurden. Insbesondere die nachfolgende Beförderung stieß auf scharfe Kritik: „General hätte er nicht noch werden müssen“ (Prof. Dr. Merkel). Auch wurde kritisiert, dass die ISAF-Untersuchung noch immer nicht freigegeben und somit nicht allgemein zugänglich sei.

4. Weiteres aus der Diskussion:

  1. a) Ein Streitpunkt war die Frage, ob die Einstellung des Strafverfahrens nach dem VStGB korrekt war. Während mehrere Redner Kritik an der (mit dem doppelten dolus directus) sehr einschränkenden Fassung des Tatbestandes übten, verteidigte Prof. Dr. Merkel die Regelung, weil sonst die Kleinen „gehängt“ würden.
  2. b) Die Auffassung von Prof.Dr. Merkel, die Regelungen des VStGB seien lex spezialis hinsichtlich des allgemeinen Strafrechts (mit der Folge, dass diese daneben nicht angewandt werden dürften), blieb vereinzelt.
  3. c) Streitig blieb auch die Überlegung, ob das Faktum, dass Oberst Klein alle seiner Auffassung widersprechenden Informationen abgewehrt hatte, nicht die Rechtfertigung nach dem humanitären Völkerrecht berühren müsste, mit der Folge einer bedingten Inkaufnahme der vermeidbaren Tötung von Zivilisten (Totschlag). Insbesondere der lapidare Satz von Dr. Hankel, Oberst Klein sei völkerrechtlich kein Verstoß nachzuweisen, stieß mehrfach auf Widerspruch, auch nachdem er ihnnochmal in den Zusammenhang seiner Gedanken gestellt hatte. Mehrfach wurden Überlegungen laut, die Verhältnismäßigkeitsklausel in § 11 VStGB und Art. 51 ZP I einschränkend auszulegen
  4. d) Jürgen Rose gab zu bedenken, ob nicht der ganze Sachverhalt noch ganz anders zu lesen sei (was bisher durch die Geheimniskrämerei mit dem Kommando Spezialkräfte verhüllt sei): er vermute, Oberst Klein habe nicht als PRT-Kommandant agiert, sondern als Angehöriger der TaskForce-47. Dass er es abgelehnt habe, seinen Rechtsberater als PRT-Kommandant auch nur zu fragen, erkläre sich daraus, dass er vermutlich den Rechtsberater des KSK angefragt habe.
  5. e) Schließlich stieß auch Dr. Hankels These von der Fehlentwicklung des humanitären Völkerrechts auf Widerspruch; z.B. wandte Prof. Dr. Derleder ein, es habe wichtige Fortschritte 1977 gegeben, die nicht pauschal abgewertet werden dürften. Dr. Hankel verteidigte seine Position und stellte konkrete Vorschläge zur notwendigen Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts vor (die aber nicht mehr diskutiert werden konnten):

Bei internationalen, UN-mandatierten Militärmissionen, die humanitäre Ziele verfolgen, gelten die Mitglieder der bewaffneten Einheiten aller am Konflikt beteiligten Parteien als Kombattanten. Im Falle ihrer Gefangennahme werden sie als Kriegsgefangene behandelt. Sie behalten die mit dieser Rechtsstellung verbundenen Vergünstigungen, auch wenn strafrechtliche Maßnahmen gegen sie ergriffen werden. Mitglieder von bewaffneten Einheiten, die im Widerspruch zu den Regeln des humanitären Völkerrechts heimtückisch kämpfen, verwirken den Anspruch, Kombattanten bzw. Kriegsgefangene zu sein.

Die militärische Notwendigkeit genießt keinen Vorrang vor dem Humanitätsgebot. Sobald es die militärische Lage erlaubt, sind bei einer humanitären Intervention Bodentruppen einzusetzen. Ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass es infolge eines Angriffs zu Verlusten an Menschenleben unter der unbeteiligten Zivilbevölkerung, zur Verwundung von unbeteiligten Zivilpersonen sowie zu Zerstörungen oder Beeinträchtigungen wichtiger ziviler Objekte kommt, ist von diesem Angriff abzusehen.

(Gerhard Baisch)

Quelle: Online-Zeitung Schattenblick, www.schattenblick.de