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BILDZEITUNG, TAZ und ZEIT und die modernen Kriege

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Quo vadis NATO?

Herausforderungen für Demokratie und Recht

Arbeitsgruppe VII: Medien und Recht

von Sabine Kebir, freie Autorin, Berlin:

BILDZEITUNG, TAZ und ZEIT und die modernen Kriege

Als die italienische Öffentlichkeit 1911 auf einen kolonialen Krieg gegen Libyen vorbereitet wurde, machte Antonio Gramsci folgende Beobachtung: Ein Verleger von Tageszeitungen in mehreren großen Städten, „wies seine Belegschaften an, unterschiedliche Haltungen anzunehmen. In einer Stadt sollte seine Zeitung für das Vorhaben sein, in einer anderen dagegen.“ Da sich die Blätter, die für das Kriegsabenteuer eintraten, besser verkauften, „ordnete er an, dass alle seine Zeitungen in diese Richtung marschierten…Das ist wohl noch der vornehmere – oder weniger schurkische – Fall von journalistischem Merkantilismus. Denn es kommt häufig – zu häufig – vor, dass eine bürgerliche Zeitung, statt Erhebungen über die im Publikum vorherrschende Meinung anzustellen, sich aus utilitaristischem und pekuniärem Kalkül vornimmt, sein Publikum in eine bestimmte Richtung zu lenken.“ 

Mit der von Anfang an feststellbaren Ablehnung des Afghanistan-Krieges durch den überwiegenden Teil der Deutschen war die Situation im Vergleich mit der von Gramsci beschriebenen zwar genau umgekehrt. An der Taktik, wie Zeitungen als privatwirtschaftliche Unternehmen mit solchen heiklen Fragen umgehen, hat sich aber kaum etwas geändert. Laut Gramsci darf man die BILD der „schurkischen“ Richtung im Blätterwald zuordnen, weil sie ungeachtet der öffentlichen Meinung offensiv für den Krieg mobilisierte. Sie konnte sich das deshalb leisten, da sie ihre Leserschaft über andere, normalerweise in den Vordergrund gestellte Themen wie Sex, Klatsch und Sport konstant hält.

Das normale Bild der Zeitung ändert sich bei Großereignissen wie dem 11. September 2001, die die westliche Zivilisation scheinbar ins Herz treffen. Aus Gründen der Pietät wurde das Pin-up für acht Tage weggelassen und Bildberichte über das New Yorker Horrorszenario beherrschten die ersten Seiten. Im Gegensatz zur bis 2010 geltenden offiziellen Sprachregelung – hieß der kommende Krieg bei BILD von Anfang an auch „Krieg“. Das, was später „Operation Enduring Freedom“ genannt wurde, hieß bei Bild  nie „Operation anhaltende Freiheit“. Nicht nur deshalb kann gesagt werden, dass BILD beim Thema Afghanistan weniger log als die Regierungsbulletins und die meisten anderen Medien. Ab dem 12. September 2001 offenbart sich ein redaktionelles Konzept von geschickt inszenierten Wechselbädern. Neben den Horrorbildern des Anschlags werden nicht nur verschiedene Ansichten über Angemessenheit, Chancen und Gefahren des kriegerischen Gegenschlags geboten, sondern auch sorgsam abgewogene Dosierungen von Katastrophenstimmung und Beruhigungspillen. Charakteristisch für Bild ist, dass der Inhalt der sehr kurzen Textbeiträge gekonnt in der Überschrift zusammengefasst ist. Es genügt fast immer, diese zur Kenntnis zu nehmen.

Schon am 12. September wird auf Seite 4 unter Berufung auf den Chefradakteur der in London erscheinenden Zeitung AL QUDS AL ARABI als wahrscheinlicher Drahtzieher Osama bin Laden genannt, der drei Wochen zuvor vom Plan eines größeren Anschlags erzählt habe. Auf die auf Seite 5 gestellte Frage „Gibt es jetzt Krieg, Herr Scholl-Latour?“ antwortet er, Krieg hielte er nicht für geraten, aber für wahrscheinlich.

Am 13. September wird auf Seite 2 bereits zum Angriff geblasen: Jetzt entbrennt der Kampf gegen das Böse. Die Bürger fordern Vergeltung! – freilich nicht, ohne dass Auch in Berlin für die Opfer gebetet wird. Auf Seite 4 wird berichtet, dass bin Laden den Attentätern gratulierte. Einen anderen Beweis seiner Täterschaft bleibt Bild seinen Lesern auch künftig schuldig. Auf Seite 9 findet man die nachdenkliche Frage bezüglich auf  von Taliban gefangenen Entwicklungshelfern: Was wird aus den vier deutschen Geiseln?, wenn es tatsächlich zum Angriff käme: Menschliche Schutzschilde? Ein anderer Titel fragt: Kommt jetzt der Terror auch zu uns? Dazu wird ein Foto des Frankfurter Messeturms gezeigt, dem damals höchsten Wolkenkratzer Deutschlands, bei dem eine Bombendrohung eingelaufen sei.

Dass auch Deutschland Verantwortung für die Anschläge trage, wird den Lesern am 14. September suggeriert: BILD bringt auf Seite 1 ein großes Foto von Mohamed Atta, dem Anführer der Attentate: Terrorbestie lebte acht Jahre in Deutschland. Auf Seite 6 wird der Verteidigungsminister gefragt: Muss Deutschland jetzt in einen Krieg ziehen? Rudolf Scharping antwortet: „Wir werden die USA unterstützen“.

BILD liefert aber kein einseitiges ´Feindbild Islam`. Seite 6 zeigt das  Foto einer Muslimin in den USA, die an der öffentlichen Trauer für die Terroropfer teilnimmt.

Dass Deutschland „an der Seite der Amerikaner stehen“ müsse, wird auf Seite 1 der Ausgabe vom 17. September bekräftigt. Schließlich würden 270 Deutsche unter den Trümmern des

WTC vermutet. Während auf Seite 2 ein Artikel mit dem Titel Krieg gegen die Taliban: Amerikas Elite-Vergeltungsschlag zu lesen ist, finden sich in derselben Nummer auch Warnungen davor. Auf S. 4 ist ein Brief Jürgen Todenhöfers an Bush abgedruckt: „Mr. President, treffen Sie die Schuldigen, nicht die Unschuldigen!“

BILD vom 18. September fragt auf Seite 1: Ist der Krieg noch zu verhindern? Und auf Seite 4

wird unter dem Titel Kommt der Terror nach Deutschland? berichtet, „Sicherheitskreise“ seien davon überzeugt. Milzbrandsporen könnten vom Flugzeug über eine deutschen Großstadt versprüht werden, wobei mit rund 95 000 Toten zu rechnen sei. Auch bestehe Gefahr von Koffer-Atombomben. Der BND warne, dass Deutschland in die Reichweite von Langstreckenraketen der „Schurkenstaaten“ gerate. Saddam sei dabei, aus Scud-Raketen eine Rakete mit Flüssigtreibstoff zu entwickeln, die 3000 km weit fliege, also auch Berlin bedrohe. Auf jeden Fall müssten sich die Deutschen auf Veränderungen in ihren Lebensgewohnheiten einstellen: Urlaub bald ganz ohne Flugzeuge? wird auf Seite 7 spekuliert.

Die BILD-Leser erfahren nichts von in anderen Medien durchaus geäußerten Bedenken gegen die rasche Schuldzuweisung an bin Laden und an die afghanische Regierung, obwohl diese bereit ist, ihn auszuliefern, sobald ein stichhaltiger Beweis für seine Urheberschaft des Attentats vorläge. Nicht nur Afghanistan ist sofort als Kriegsziel im Visier, sondern auch der Irak, gegen den freilich erst 2003 losgeschlagen wird. Thematisiert wird eigentlich nur die angebliche Gefahr, die seit dem 11. September nicht nur für die USA, sondern eben auch für Deutschland und vor allem die unmittelbaren Lebensinteressen der BILD-Leser sichtbar geworden sei.

Auf Seite 2 am 19. September bekräftigt Außenminister Fischer, dass seine Geheimdienste vor „unmittelbarer Gefahr“ eines Terroranschlags in Deutschland gewarnt hätten. Und auf derselben Seite wird gefragt: Wie könnte Deutschland [den USA-S.K.] helfen? Ein Spektrum militärischer Angebote wird aufgezählt: Fallschirmjäger, Gebirgsjäger, KSK (Kommando-Spezialkräfte) und Kampfflugzeuge. Etwas bang klingt noch die Frage: „Müssen deutsche Soldaten in den Krieg?“

Und nachdem auf Seite 4 die Bundesregierung die „schockierend hohe Zahl“ deutscher Toter im WTC (nun auf etwa 100 geschätzt) beklagt hat, wird auf Seite 5 unter dem Titel Besiegen sie das Böse? fest davon ausgegangen, dass die Amerikaner auf den Krieg steuern. BILD zeigt US-Spezialeinheiten, die auch für Sabotageakte und Entführungen ausgebildet sind –

Kampfformen, die, von Taliban angewandt, nicht als faire, sondern heimtückische  Kriegsführung gelten würden.

Am 8. Oktober kann auf  Seite 1 endlich der Beginn des amerikanischen Angriffs gemeldet werden: +++Raketen-Schläge gegen Afghanistan+++Dramatische Ansprache des US-Präsidenten an die Welt+++Bin Laden erklärt im TV allen Juden und Christen den Krieg+++ Der Angriff.

Am 9. Oktober findet sich auf der 1. Seite neben Großfotos über Die Nacht der Bomberpiloten – zum Zeichen, dass bei uns noch alles normal läuft – das herzerfrischende Foto mit dem Pin-up. Heute entblößt sich Fräulein Carolin, angeblich „Studiosa“ der Bibliothekswissenschaften. Erst auf Seite 3 zeigt ein Foto zerstörte Elendshütten. Tragisches Erleben der afghanischen Bevölkerung steht im Konjunktiv: „Hier soll eine Rakete eingeschlagen sein, behauptet die Taliban-Miliz. Getroffen wurde das Haus einer afghanischen Familie.“

Obwohl nicht eindimensional, ist die BILD-Berichterstattung doch stets so gestaltet, als ob zum Krieg und auch zur Beteiligung Deutschlands keine Alternativen denkbar wären. Diskussion über Menschen- oder internationales Völkerrecht finden in BILD nicht  ansatzweise statt. Die Begriffe fehlen ganz einfach. Nicht nur damit trägt die BILD zur Erziehung eines potentiell rechtsradikalen Publikum bei. Sie glorifiziert auch schmutzige Kampffähigkeiten der US-Truppen und der KSK. Am 25. Februar 2002 informiert BILD, dass die „im baden-würtembergischen Calw stationierten rund 1000 KSK-Soldaten nach mehrjährigem Kampf- und Überlebenstraining in der Lage seien, „lautlos und mit bloßen Händen [zu] töten.“ Am nächsten Tag, dem 26. Februar wird die Frage Warum sind die deutschen KSK-Soldaten so gefürchtet? beantwortet: „Der Leitspruch der deutschen Elitekämpfer: Keiner sieht uns kommen, keiner weiß, dass wir da sind. Und wenn wir da waren, gibt es keinen Beweis…/ Die KSK-Kämpfer sind bei den Terroristen gefürchtet: Blitzschnell schlagen sie im Vierer-Trupp mit ´Heckler & Koch`- Maschinenpistolen zu – oder kommen lautlos mit Kampfmessern.“ Genau wie die Terroristen. Dass das alles legal sei, bestätigt am 27. Februar der Vier-Sterne-General Klaus Reinhard auf S. 2. Die Frage Haben die KSK-Soldaten eine Lizenz zum Töten? beantwortet er positiv.

Am 5. März wendet sich der Kommentar Franz Josef Wagners auf S. 2 in Briefform an die mittlerweile im Kampfgebiet angekommene Truppe: „Lieber kämpfender deutscher Soldat! […] Die pazifistischen Grünen und die verlogenen Friedens-PDSler schreien jetzt auf. Ja, ich wünsche euch, dass ihr den Gegner tötet, bevor er euch tötet. Über das US-Verteidigungsministerium, nicht über das deutsche, erfuhren wir, dass Ihr, Soldaten der deutschen Elite-Einheit KSK, in den Bergen Afghanistans einen  Mann-gegen-Mann-Krieg führt. / Wenn es Nacht ist, ist euer Gesicht geschwärzt. Tagsüber ist euer Kampfanzug weiß wie Schnee. Ich stammle euch aus der Heimat: Habt Glück, passt auf, schießt schneller!“

Im Unterschied zu BILD, muss die TAZ, wenn sie keine Abonnenten verlieren will, in Fragen von Krieg und Frieden auf die vorwiegend pazifistisch eingestellte Leserschaft Rücksicht nehmen. So bot sie nach dem 11. September zunächst eine eher kriegsskeptische Sicht an,  wobei die brisanten Fragen des Völkerrechts und der Menschenrechte fundiert angesprochen wurden.

Am 20. September kam zum ersten Mal in der TAZ zur Sprache, dass „die USA Geheimgespräche mit der Bundesrepublik über einen möglichen Einsatz der Bundeswehr-Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) führen“, die vom Verteidigungsministerium „weder bestätigt noch dementiert“ würden. Fortan muss sich die Zeitung in dem heiklen Drahtseilakt üben, einerseits die überwiegend pazifistische Leserschaft bei der Stange zu halten und andererseits ihre Loyalität zur grünen Partei zu zeigen, da abzusehen ist, dass diese nach dem Jugoslawieneinsatz noch einmal Verantwortung für deutsche Kriegsbeteiligung übernimmt. Eine publizistische Steilvorlage, wie dieser Spagat zu bewältigen sei, liefert am 22.September 2001 Daniel Cohn-Bendit unter der Überschrift Für die solidarische Globalisierung. Die Grünen und Joschka Fischer seien „in diesen Tagen nicht zu beneiden […] Sie, die aufrechten Pazifisten, müssen nun schon zum zweiten Mal in ihren ersten drei Regierungsjahren eine kriegerische Zeit realpolitisch meistern. Denken sie dabei an ihre Wählerinnen und Wähler, befallen grüne Mandatsträger deshalb lähmende Albträume. […] Am liebsten würden wir mit dem Fallschirm ein Heer von Sozialarbeitern und Entwicklungshelfern über Afghanistan absetzen, um die Taliban zu belehren und die Terrorgroupies Bin Ladens umzuerziehen.“

Obwohl Amerika einerseits frech definiere, was die Welt unter Glück, Trauer und Rache zu verstehen habe, finde es andererseits die Fähigkeit, „angesichts der Bedrohung und des Horrors zusammenzustehen und aus sich heraus die Dynamik zu finden und Energien freizusetzen, um den Kampf für Freiheit und gegen Terror zu führen.“ Mit diesem Taschenspielertrick schlägt Cohn-Bendit den verunsicherten Pazifisten vor, die Situation  dialektisch zu sehen, was auf die Billigung von Militäreinsätzen hinausläuft. Bush, Fischer und Schröder „führen keinen Krieg oder einen Kreuzzug gegen das Böse. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass eine unsichtbare Armee, ausgebildet in Afghanistan und anderswo, bereit ist zu Aktionen, die in ihren barbarischen Dimensionen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu werten sind.“ Plötzlich argumentiert er wie BILD: Eine „unsichtbare Armee könne morgen bereits Miniatombomben auf Städte abwerfen oder Flugzeuge auf Atomkraftwerke lenken.“

Damit die Kriegspille nicht allzu bitter schmeckt, hält Cohn-Bendit ein parallel einzunehmendes Leckerli bereit: „Wer eine militärische Koalition gegen den Terror will, muss gleichzeitig eine internationale Koalition der Zivilgesellschaften, der Zivilorganisationen gegen den Totalitarismus, gegen Intoleranz, für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit schmieden.“ ´Zivilgesellschaft` klingt für Grüne und TAZ-Leser sympathisch. Neu scheint allerdings, dass die Aktivierung von Zivilgesellschaft nur durch einen Krieg erreichbar sein soll. Und wer wird in der Lage sein, diese heikle Doppelaufgabe zu bewältigen? Cohn-Bendit: „Es liegt an uns, an Europa, an der Bundesregierung, diese „Katharsis“ in Gang zu bringen. „Die sich jetzt durchsetzende militärische Kooperation bietet die Chance, dass die US-Amerikaner endlich verstehen, dass die Alliierten keineswegs nur Befehlsempfänger sind.“

Interessanterweise geht es Cohn-Bendit schon nicht nur um Aufspüren und Bestrafung der Attentäter. Er erwägt Bedingungen, unter denen auch das Taliban-Regime gestürzt werden könne. Um die von der UNO anerkannte Exilregierung Afghanistans wieder einzusetzen “müsste der Befreiungskampf der afghanischen Opposition mit Flugzeugen, Waffen und Soldaten unterstützt werden.“

Cohn-Bendit entwirft hier ein ideologische Muster, mit dem der Afghanistan-Krieg lange  gerechtfertigt wurde: Der Militäreinsatz schirmt den zivilen Aufbau (Schulen, Brunnen, Zivilgesellschaft) ab. Grünem Selbstverständnis hätte es aber zumindest angestanden, ein Junktim zwischen Militäreinsatz und zivilem Aufbau zu fordern, d. h. mindestens Gleichrangigkeit der eingesetzten Mittel.

Ab jetzt muss die TAZ mehrere Strategien gleichzeitig fahren: Ausführlich kommen weiterhin  Kriegsgegner zu Wort – häufig aufgebnrachte Leserbriefe. Aber auch die Realpolitik erhält ihren Platz. Und da das TAZ-Publikum BILD nicht liest, muss es im eigenen Blatt hin und wieder den Ernst mit Spaß serviert bekommen. Am 22. September zieht Fritz Tietz aus dem „Witz-Ticker“, dass Herbert Grönemeyer seinen Song Flugzeuge im Bauch nie wieder singen mag. Und: „Streng geheim: Die deutsche Luftwaffe bestückt ihre Tornados für Afghanistan mit einem Enthaarungspulver.“ Unbestätigt sei, „dass sich an dem geplanten Einsatz von Bodentruppen auch ein Friseur-Bataillon der Bundeswehr beteiligen wird.“ Und: „Der Woody-Allen-Film Der Schläfer darf vorerst in Deutschland nicht mehr gezeigt werden.“

Angesichts der sich aufbauenden Kriegsgefahr beklagt Bettina Gaus am 25. September die  Kluft zwischen politischer Klasse der Grünen und der Wählerschaft. Die neuerliche Zerreißprobe kommt in einer Zeit, in der die Partei auf etliche Wahlschlappen zurücksieht. Gaus mahnt an, dass die Grünen seit dem Eintritt in die Regierung auf einen erheblichen Teil ihrer Stammwählerschaft „einfach mal eben so“ verzichtet hätten und zwar nicht nur hinsichtlich der Militärpolitik. Wenn die Partei überleben wolle, müsse sie „größere Kompromisse in den eigenen Reihen schließen“, aber auch „gegenüber dem Koalitionspartner SPD.“ Rückblickend lässt sich sagen, dass den Grünen und der TAZ diese Drahtseilakte gelungen sind. Damit haben sie einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Umkehrung von Werten der alten Bundesrepublik wie dem Grundsatz, dass Deutschland nie wieder offensiv Krieg führen dürfe.

Auf die Argumentationsformen der ZEIT kann hier nur kurz hingewiesen werden. Ihre Eigentümlichkeit besteht darin, dass sie auf den ersten drei Seiten ausführliche Artikel bietet, deren Grundtenor die Regierungspolitik und eventuell auch noch den der größten Oppositionspartei erklärt, die in der Frage des Afghanistankriegs aber höchstens scheinbar auseinander klafften. So überwogen prokriegerische Beiträgen auf den ersten drei Seiten und später im Blatt oft vulgäre scharfe Pro-Kriegskommentare Josef Joffes – bis ins erste Halbjahr 2010 hinein. Mit der sich allmählich ankündigenden Abzugsperspektive kam es seitdem daneben zu realistischen Reportagen und fachlich qualifizierten Analysen der jeweiligen Kriegssituation. Völker- und Menschenrechtsfragen werden in der ZEIT, wenn sie denn überhaupt vorkommen, deutlicher als in der TAZ tendenziös prowestlich gewichtet.

Quelle: Online-Zeitung Schattenblick, www.schattenblick.de