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Argumente gegen die Drohnentechnologie

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INTERVIEW/184: Quo vadis NATO? – Blinde Kriege, Volker Eick im Gespräch (SB) 

Argumente gegen die Drohnentechnologie

Interview am 26. April 2013 in Bremen

Volker Eick ist Politikwissenschaftler am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind urbane Sicherheitsregimes und Kommerzialisierung von Sicherheit. Er ist Mitglied im Erweiterten Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV).

Im Rahmen der Konferenz „Quo vadis NATO? – Herausforderungen für Demokratie und Recht“ vom 26. bis 28. April 2013 in Bremen moderierte Volker Eick die Arbeitsgruppe VI zum Thema „Militärische Drohnen, Killerautomaten und das Recht“. Am Rande der Tagung beantwortete er dem Schattenblick einige Fragen.

Schattenblick: Drohnentechnologie wird hierzulande vor allem in Form einer Skandalisierung bestimmter spektakulärer Aspekte wie etwa der gezielten Tötungen seitens der US-Streitkräfte oder der Diskussion über bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr wahrgenommen. Es gibt sicherlich noch weitere wichtige Argumente gegen die Drohnentechnologie. Könnten Sie dazu etwas sagen?

Volker Eick: Ich denke, daß man sich das aus unterschiedlichen Blickwinkeln ansehen muß. Erstens stellt sich die wichtige Frage nach der ethischen Bewertung von Drohnen in Hinblick auf die Tötung aus der Distanz, wie sie zum Teil auch diskutiert wird. Soldatinnen und Soldaten, die die Drohnen ferngesteuert einsetzen, sind nicht mehr direkt am Kampfgeschehen beteiligt, woraus teilweise der Schluß gezogen wird, daß auf diese Weise das Kampfgeschehen noch mehr entfremdet und die Tötungshemmung weiter gesenkt wird. Ein zweiter wichtiger Punkt scheint mir eine politökonomische Argumentation zu sein, die noch einmal darauf hinweist, daß diejenigen, die am Krieg verdienen wollen, große Hoffnungen darauf setzen, daß sich das insbesondere mit dieser neuen Technologie bewerkstelligen läßt und so die Profite steigen. Das dritte Argument, das meines Erachtens eine Rolle spielen muß, ist das sogenannte targeted killing außerhalb des Kriegsgeschehens, also das Umbringen von Verdächtigen ohne Anklage, ohne Verteidigungsmöglichkeit und ohne Gerichtsurteil, das sich mit Drohnen deutlich einfacher bewerkstelligen läßt als das mit anderem Militärgerät oder anderen Maßnahmen bisher der Fall gewesen ist. Das sind die drei Aspekte, die man im Blick behalten muß.

SB: Könnte man sagen, daß damit eine völlig neue Art der Kriegsführung in Händen einiger weniger Staaten oder Bündnisse etabliert wird?

VE: Ich denke, das wird man in wenigen Jahren nicht mehr sagen können. Es gibt zwar bisher – jedenfalls soweit wir das wissen – weltweit drei Länder, deren Regierungen mit Drohnen töten lassen, nämlich die USA, Israel und Britannien. In den vergangenen sechs Jahren war jedoch nach unserer Kenntnis bereits ein Anstieg jener Länder, die unbewaffnete oder bewaffnete Drohnen produzieren bzw. nutzen, auf weit über 50 zu verzeichnen. Wir haben bei denjenigen, die als Zielgruppen von Drohnen ausgemacht werden, also bei vermeintlichen islamistischen Gruppen, gerade erst vor wenigen Tagen erlebt, daß die israelischen Streitkräfte eine Drohne dieser Herkunft abgeschossen haben. Wir werden also auch bei politischen Kräften, die nicht staatlich organisiert sind, einen zunehmenden Einsatz von Drohnen verzeichnen, sofern es uns nicht gelingt, diese Waffe zu ächten. Insofern ist der technologische Vorsprung, auf den einige Regierungen derzeit noch setzen, auf ausgesprochen dünnem Eis gebaut.

In Hinblick auf eine Kriegsführung in qualitativ veränderter Form würde ich denken, daß wir vielleicht noch nicht in den nächsten fünf, aber in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren davon ausgehen können, daß sie sich zunehmend automatisiert, es also niemanden mehr gibt, der die Drohne steuert und deren Waffen auslöst – da können sich unsere Bundesverteidigungsminister auf den Kopf stellen. In den USA, dem am weitesten fortgeschrittenen Nutzer unbewaffneter und bewaffneter Drohnen, muß sich das Militär längst eingestehen, daß die Informationsvielfalt und die Geschwindigkeit, in der die Drohnen Informationen mit ihren Sensoren sammeln, die Möglichkeiten menschlichen Personals bei weitem übersteigen, das diese ungeheure Menge nicht mehr verarbeiten kann. Daher sind sämtliche Forschungsabteilungen des Militärs darauf erpicht, Überlegungen anzustellen und Algorithmen zu erfinden, die es ermöglichen, auf Personal in der Kriegsführung und in der Betreuung solcher Drohnen zu verzichten. Insofern haben wir es dann in der Tat mit einer neuen Qualität zu tun, als nämlich vollautonome Maschinen gegen vollautonome Maschinen kämpfen. Allerdings entspricht das nicht der Vorstellung, wie wir sie aus Science-Fiction-Filmen oder -Romanen kennen, wonach ein Roboter den anderen ausschaltet. Vielmehr wird der eine Roboter eine Bevölkerung und der andere Roboter die andere Bevölkerung ausschalten. Darin liegt meines Erachtens die große Gefahr einer Technikgläubigkeit in Hinblick auf die Entwicklung und Anwendung von Drohnen.

SB: Inwieweit verfügen private Akteure wie beispielsweise militärische Sicherheitsdienstleister über Drohnentechnologie?

VE: Nach meinem Kenntnisstand werden Drohnen von privaten Sicherheitsdiensten, die im innerstaatlichen Bereich oder bei Auslandsmissionen tätig sind, vor allen bei der Bekämpfung der Seepiraterie eingesetzt. Es ist bekannt, daß Blackwater, einer der großen Militäranbieter, der heute Academi heißt, im Auftrag der CIA bei Operationen die Drohnen bewaffnet hat und vor Ort im Einsatz gewesen ist. Ob diese Firma Drohnen in Besitz hat oder andere private militärische Sicherheitsdienstleister über solche verfügen, weiß ich nicht.

SB: Die Bundeswehr verfügt schon seit längerem über Beobachtungsdrohnen, was in der Vergangenheit wenig bekannt war. Mit der Überstellung und Erprobung des ersten Global Hawk wurde diese Technologie von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Weiß man Genaueres, wo diese Drohne als künftiger Euro Hawk in Deutschland in der Erprobung zum Einsatz gekommen ist?

VE: Der geplante Euro Hawk sollte in Manching stationiert werden und hat mindestens einen geheimen Probeflug absolviert. Da jedoch die luftrechtlichen Voraussetzungen für seinen Einsatz nicht gegeben sind, kam es nicht zum Regeleinsatz. Ursprünglich waren weitere Testflüge bis zur Einsatzreife vorgesehen, zumal er mit der modernsten Überwachungstechnologie ausgestattet werden sollte, die es ihm gleichsam ermöglicht hätte, zu hören, sehen, riechen, schmecken und fühlen.

SB: Sie haben den rechtlichen Klärungsbedarf beim Einsatz von Drohnen angesprochen. Welche Probleme sind in diesem Zusammenhang zu nennen?

VE: Grundsätzlich gilt für die Bundesrepublik wie auch für die USA, daß die Regierungsbehörden die Aufgabe haben, bis 2015 Luftfahrtregelungen für den Einsatz von Drohnen im Inland zu schaffen. In Deutschland ist bereits vor einigen Monaten ohne große Diskussion ein erster Schritt in diese Richtung getan worden. Das zentrale Problem besteht darin, daß unbemannt fliegende und möglicherweise dann auch autonom fliegende Drohnen mit einer Sicherheitstechnologie ausgestattet sein müssen, die unter dem Stichwort „see and avoid“ läuft. Die Drohne soll also selbständig erkennen, wenn sie mit anderen Luftfahrzeugen, seien es Zeppeline oder Passagiermaschinen, zu kollidieren droht, und ein Ausweichmanöver einleiten. In diesem Zusammenhang sind versicherungsrechtliche und luftverkehrsrechtliche Fragen zu klären.

Der Klärungsbedarf, der sich auf den Einsatz von Drohnen im Ausland und dort insbesondere jenen mit tödlichen Folgen bezieht, rankt sich im wesentlichen um die Frage, ob es sich um eine kriegerische Auseinandersetzung und bei den Drohnen mithin um Waffen handelt, die im Krieg eingesetzt werden. Hat man es hingegen nicht mit einem Krieg zu tun, so wäre zu berücksichtigen, daß es sich dann im Regelfall bei Tötungsdelikten um Totschlag oder möglicherweise sogar um Mord handelt. Folgte man der US-amerikanischen Regierungslogik, wonach es sich um einen internationalen Krieg gegen den Terror handelt und insofern auch Nordwasiristan Kriegsgebiet ist, stellte sich immer noch die Frage, ob Pakistan, in dessen nationalstaatlicher Grenze Nordwasiristan trotz seiner Autonomie liegt, dem Einsatz von ausländischem Kriegsgerät zugestimmt hat.

Die Kontroverse, die bislang in der bundesrepublikanischen wie auch in der internationalen Debatte die größte Aufmerksamkeit erregt hat, galt der Frage, ob Nichtkombattanten Drohnen in tödlicher Mission einsetzen dürfen. Nun ist die CIA eben keine militärische Einheit, weswegen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch keine Soldaten und insoweit in kriegerischen Auseinandersetzungen als nicht-reguläre Truppen einzustufen sind. Wollte man wiederum aus US-amerikanischer Sicht davon ausgehen, daß im internationalen Kampf gegen den Terrorismus, den die USA führen, auch die CIA ein Wort mitzureden hat, so stellte sich die Frage, ob deren Drohnenpersonal in Langley in Virginia, auf den Seychellen, im Jemen oder auch die Soldaten auf der Nellis Air Base in Nevada damit nicht zu einem legitimen Angriffsziel würden. Wer an diesen Stationierungsorten Drohnen steuert, dann ins Auto steigt und nach Hause zu seiner Familie fährt, vielleicht zwischendurch noch einen Hamburger kauft, könnte möglicherweise zu einem legitimen Ziel derjenigen werden, die umzubringen er tagtäglich versucht. Das ist der dritte Aspekt, der in rechtlicher Hinsicht eine Rolle spielt.

SB: Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat den Wunsch der Bundeswehr, auch bewaffnete Drohnen anzuschaffen, heruntergespielt. Wie würden Sie diese Entwicklung einschätzen?

VE: Das ist eine Frage, die verschiedene Aspekte berührt. Grundsätzlich hat man es mit einer spezifischen Form der Industriepolitik in der Erwartung zu tun, daß Deutschland insbesondere im Rüstungssektor zu den großen Industriemächten aufschließt, die im Militärbereich Vorreiter bei der Drohnentechnologie sind. Aus dieser Perspektive handelt es sich um profitmaximierendes Industrieinteresse, das vom Bundesverteidigungsminister bedient werden soll. Aus einer militärischen Logik wird man sich dem Argument, daß die eigene Soldatin, der eigene Soldat in Auseinandersetzungen geschützt werden soll, nicht verschließen können. Gleichwohl stellt sich dann immer wieder und zunehmend die Frage, welche künftigen Einsatzszenarien für die Bundeswehr vorgesehen sind, daß es so zwingend erscheint, sie mit bewaffneten Drohnen auszurüsten. Und aus einer innenpolitischen Perspektive – das zeigen die USA, Israel und sogar die angeblich so neutrale Schweiz – ist das Drohnengeschäft, das sich zunächst als militärischer Markt darstellt, zugleich auf dem Marsch nach Hause. In den USA werden bis 2015 die Voraussetzungen für den Einsatz von Drohnen im Landesinneren geschaffen, wo sie bereits etwa an der Grenze zu Mexiko fliegen, und das FBI hat unlängst deren regelmäßigen Einsatz zugeben müssen. Die Schweiz läßt ihre Grenzen mit Drohnen überwachen, und in den USA haben die ersten drei Polizei-Departments Anträge gestellt, daß sie Drohnen auch mit Tasern und Gaskanonen bewaffnen dürfen. So bekommen wir bereits einen ersten Vorgeschmack darauf, wie sich zukünftig der quasimilitärische, weniger tödliche Drohnenmarkt auch im Landesinneren durchsetzen wird.

SB: Auch die deutschen Polizeien haben teilweise bereits Drohnen angeschafft oder versuchen das. Wie ist in dieser Hinsicht der aktuelle Stand?

VE: Wir wissen von Drohnen, die die Bundespolizei in unterschiedlicher Größe einsetzt. Das Land Niedersachsen hat Drohnen gekauft, was dem einen oder der anderen möglicherweise im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen Castortransporte bekannt sein dürfte. Sachsen und Sachsen-Anhalt setzen Drohnen mit der Begründung ein, es gehe darum, größere Menschenmengen namentlich bei Fußballspielen am Wochenende, die im Hinblick auf Hooligans als gefährlich eingestuft werden, im Auge zu behalten. Berlin hatte bis vor kurzem eine Drohne, die bei einem größeren Verkehrsunfall eingesetzt wurde und dann abgestürzt ist. Nicht alle Bundesländer haben Drohnen, weil es erstens noch diese luftfahrtrechtlichen Fragen zu klären gilt und zweitens das entsprechende Personal ausgebildet werden muß, um Drohnen einzusetzen, zumal jene, die bisher im Polizeieinsatz sind, als nicht besonders sicher gelten. Daß in Berlin die Drohne abgestürzt ist, ist aus Sicht der Berliner Polizei bedauerlich, weil 30.000 Euro Steuergelder auf der Avus versenkt worden sind. Aber auch in Sachsen-Anhalt hat es immer wieder Klagen gegeben, daß die Drohnen nicht so einfach zu manövrieren sind, wie uns das die Industrie gerne weismachen will.

SB: Herr Eick, vielen Dank für dieses Gespräch.

Quelle: Online-Zeitung Schattenblick, www.schattenblick.de