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Das Verbot der Kriegspropaganda in Art. 26 GG und Art. 20 IPbpR

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II12 Martina Haedrich

Foto: © 2013 by Schattenblick – www.schattenblick.de

Martina Haedrich

Das Verbot der Kriegspropaganda in Art. 26 GG und Art. 20 IPbpR

Art. 26 Abs. 1 GG:

 Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.

Art. 20 IPbpR (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte):

Abs. 1: Jede Kriegspropaganda wird durch Gesetz verboten.

Abs. 2: Jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, wird durch Gesetz verboten.

Anliegen der folgenden Ausführungen ist es, Inhalt und Ziel des verfassungsrechtlichen Verbots der Kriegspropaganda und dessen völkerrechtliches Pendant zu umreißen. Dabei werden die Maßgaben erörtert, nach denen die Schwelle zur Kriegspropaganda erreicht ist. Die Darstellung, ob und wie Medien Kriegspropaganda betreiben, bleibt insbesondere Medien- und Konfliktforschern vorbehalten

Verfassungswidrigkeit von Kriegspropaganda

Art. 26 Abs. 1 GG ist eine nach innen und außen gerichtete Programmnorm und unmittelbar verbindliche Rechtsnorm. Das Verbot eines Angriffskrieges selbst ist bereits mit Art. 25 GG als eine dem Gewaltverbot unterfallende ius cogens-Norm erfasst und findet in Art. 26 Abs. 1 seine Konkretisierung. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 hat in Art. 2 diese Regelung übernommen. In Art. 26 Abs. 1 geht es neben dem Verbot, Angriffskriege zu führen, um friedensstörende Handlungen, die durch diese Bestimmung, also durch Verfassungsauftrag unter Strafe zu stellen sind. Kriegspropaganda wird, anders als in Art. 20 IPbpR, nicht ausdrücklich genannt, unterfällt aber Handlungen im Sinne des Art. 26 Abs. 1 GG.

Art 26 Abs. 1 wird unterschiedlich ausgelegt. Die weite Auslegung schließt in das Friedensbekenntnis dieser Bestimmung Friedensbemühungen und die Schaffung einer Gerechtigkeitsordnung ein, die zu verwirklichen sind. Die enge Auslegung, der zu folgen ist, bezieht sich auf das bereits existierende rechtliche Gefüge, das vor Störungen zu schützen ist. Art. 26 Abs. 1 zielt gerade auf Störungsabwehr, die ein bestehendes  zu schützendes Gefüge voraussetzt. Andere Normen des Grundgesetzes, wie Art. 1 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 2 GG implizieren dagegen auch Friedensbemühungen.

Störungen sind nach Art. 26 Abs. 1 Verletzungen fundamentaler Rechtsgüter. Neben Kriegspropaganda fällt auch das Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zur Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, darunter. Neben den nach Art. 25 GG erfassten Verboten aus ius cogens-Normen, wie dem Gewaltverbot (Verbot zur Androhung oder Anwendung von Gewalt) fallen auch Störungen darunter, die als Vorbereitungshandlungen die Tatbestände von Völkerrechtsverbrechen, d.h. Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen und die im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (Art. 5 ff.) geregelt sind. Neben Völkermord sind Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und auch Aggressionsverbrechen genannt. Allerdings gilt für das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs noch immer die Einschränkung, dass Aggressionsverbrechen zwar als Tatbestand aufgenommen wurden, der Gerichtshof  dazu seine Gerichtsbarkeit aber noch nicht ausübt.

Die Vorbereitung eines Angriffskrieges ist in Art. 26 Abs. 1 als herausgehobenes Beispiel einer solchen Handlung angeführt. Aber auch andere Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören, unterfallen dieser Regelung. Damit sind neben vorbereitenden Angriffshandlungen auch vorbereitende Handlungen im Sinne einer Bedrohung oder eines Bruchs des Friedens gem. Art. 39 UN-Charta gemeint. Voraussetzung zur Erfüllung dieser Tatbestände nach Art. 26 Abs. 1 GG ist der besonders hohe Grad der Schwere. Die höchstrichterliche Rechtsprechung spricht von „schwerwiegenden, ernsten und nachhaltigen Beeinträchtigungen“. Art. 26 Abs. 1 hat auch die Wirkung einer Schranke im Hinblick auf Grundrechte, wie die Vereinigungsfreiheit oder Meinungsfreiheit. Insoweit ergeben sich Abgrenzungsprobleme. Abzugrenzen sind Handlungen nach Art. 26 Abs. 1 u.a. von der bloßen Berichterstattung der Medien, die diese Effekte schwerwiegend, ernst und nachhaltig nicht haben und damit unterhalb der Schwelle der Störungen im Sinne des Art. 26 Abs. 1 liegen. Nachrichten in den Medien über Politik oder Aktionen eines fremden Staates, seiner Staatsorgane, Staatsbediensteten oder Politiker werden grundsätzlich von der Meinungsfreiheit erfasst.

Art. 26 Abs. 1 bindet alle Rechtssubjekte im räumlichen und personalen Geltungsbereich des Grundgesetzes, mithin deutsche staatliche Organe und auch Beliehene sowie alle deutschen inländischen natürlichen und juristischen Personen  und Vereinigungen im In- und Ausland. Schließlich unterfallen diesen Regelungen auch ausländische natürliche und juristische Personen und Vereinigungen im Bundesgebiet.

Rechtsakte von Staatsorganen, die entgegen dem verfassungsrechtlichen Verbot aus Art. 26 Abs. 1 vorgenommen wurden, sind unwirksam, d.h. die Rechtsfolge tritt unmittelbar ein, ohne dass es einer ausdrücklichen Feststellung bedarf . Die rechtliche Unverbindlichkeit und damit die Unwirksamkeit eines Befehls, der das Verbot der Beteiligung an Angriffskriegen missachtete, ist durch das Bundesverwaltungsgericht judiziert worden. Die wegen Gehorsamsverweigerung erfolgte Degradierung wurde aufgehoben.

Strafbewehrung des Verbots der Kriegspropaganda

Art. 26 Abs. 1, Satz 2 GG verlangt die Pönalisierung derartiger Handlungen. Diese erfolgt durch die §§ 80 und 80a StGB allerdings nur sehr unvollständig. § 80 StGB bleibt hinter dem Verfassungsauftrag zurück, indem eine dem Art. 26 gerade nicht zu entnehmende Voraussetzung bestimmt wird, nämlich dass es sich um Angriffskriege gegenüber Deutschland handelt oder dass Deutschland mit eigenen Truppen beteiligt ist. Auch ist die Reduzierung auf Angriffskriege dem Art. 26 nicht zu entnehmen. Der Angriffskrieg ist entsprechend  dieser Bestimmung nur ein besonders herausgehobenes Beispiel; es geht auch um Handlungen, die das Zusammenleben der Völker stören. Nach § 80a, mit dem die Aufstachelung zum Angriffskrieg unter Strafe gestellt ist, wird mit Verweis auf § 80 der Anwendungsbereich des Art. 26 in oben beschriebener Weise eingegrenzt. Damit ist der Gesetzgeber dem Verfassungsauftrag aus Art. 26 nicht hinreichend nachgekommen. Begründet wird der Verzicht des Gesetzgebers, das Aggressionsgebot des Grundgesetzes zu sanktionieren mit dem Bestimmtheitsgebot, dem so nicht Rechnung getragen würde. Die Judikative in Gestalt des Bundesverfassungsgerichts hat bislang eine Aussage zu den Konsequenzen aus Art. 26 umgangen. Eine materiell-rechtliche verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Bewertung hat noch nicht stattgefunden.

Völkerrechtswidrigkeit von Kriegspropaganda

Art. 20 IPbpR ist ein präventives Verbot, d.h. es ist im Vorfeld der öffentlichen Meinungsbildung angesiedelt. Der Tatbestand der Kriegspropaganda ist erfüllt, wenn vorsätzlich eine Tätigkeit ausgeübt wird, die auf die Beeinflussung von Menschen zielt und mit der für einen Krieg im Sinne der UN-Charta aufgestachelt wird. Diese Regelung trägt im Verhältnis zu den anderen Bestimmungen im Pakt einen besonderen Charakter: Mit dieser spezifischen Schranke liegt keine einfache Vorbehaltsregelung, wie bei den anderen im Pakt enthaltenen Regelungen vor, die ein konkretes Recht durch bestimmte darauf bezogene Gesetze einschränkt, ohne dass eine Verbotspflicht des Staates begründet wird. Art. 20 verpflichtet vielmehr die Staaten expressis verbis zu Verboten. Weitere Rechtfertigungen zu Eingriffen bei Kriegspropaganda ergeben sich aus der staatlichen Verpflichtung zum Schutz der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung.

Alle Staaten sind verpflichtet, durch Gesetz Kriegspropaganda zu verbieten. Durch Gesetz heißt annerkanntermaßen die Verabschiedung eines parlamentarischen Gesetzes oder einer ungeschriebenen Rechtsnorm, die einem parlamentarischen Gesetz gleichkommt und dem common law unterfällt. Eine ausdrückliche Verpflichtung, alle verbotenen Handlungen auch strafrechtlich zu bewehren, ist Art. 20 Abs. 1 nicht zu entnehmen, wohl aber Verpflichtungen zu Sanktionen und geeigneten Maßnahmen zur Durchsetzung des Verbots.

Das Verbot der Kriegspropaganda steht in einem besonderen Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit gem. Art. 19 IPbpR. Dabei ist zu beachten, dass nicht jegliche Meinungsäußerung, die in einem Zusammenhang zu Kriegen steht, Kriegspropaganda darstellt, sondern dass es einer vorsätzlichen und zielgerichteten Einflussnahme bedarf, die eine Aufhetzung, Anstachelung oder Aufreizung sowohl durch unrichtige Tatsachenbehauptungen als auch durch negative Werturteile darstellen.

16 westliche Staaten, nicht aber Deutschland, haben mit Vorbehalten und Erklärungen Art. 20 insgesamt oder das Verbot der Kriegspropaganda im Besonderen, abgelehnt. Dabei geht es grundsätzlich um die Auslegung des Verbots des Art. 20 in Übereinstimmung mit der Meinungsfreiheit (Art. 19), Versammlungsfreiheit (Art. 21) und Vereinigungsfreiheit (Art. 22). Aufgeworfen ist hier das Problem des Missbrauchs von die Meinungsfreiheit (und andere Freiheiten) beschränkender Tatbestände. Die Vorbehalte zur Vermeidung des Missbrauchs umfassen das Recht, keine über die bestehende innerstaatliche Rechtsordnung hinausgehenden Verbote zu erlassen. Damit begeben sie sich nicht in Widerspruch zu Art. 20, wenn an Art. 5 Abs. 1 des Paktes angeknüpft wird, mithin Art. 20 im Lichte des Art. 5 ausgelegt wird. Diese Regelung sagt, dass keine Bestimmung des Paktes so ausgelegt werden darf, „dass sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben, oder eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung eines Rechts oder weitergehender Beschränkungen der Rechte und Freiheiten, als in dem Pakt vorgesehen, hinzielt.“ Bis jetzt haben sich noch keine Konfliktlagen ergeben, die zu einer Beschäftigung des Menschenrechtsausschusses zum IPbpR mit diesen Fragen geführt haben. Mit Art. 20 Abs. 2 wird jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, durch Gesetz verboten. Diese Bestimmung ist in engem Kontext zu Art. 4 der Antirassismuskonvention zu sehen.

Stärkung und Konkretisierung des Verbots der Kriegspropaganda

Eine Stärkung und Konkretisierung, letzteres vor allem auch im Sinne einer Weiterentwicklung und Rechtsfortbildung des ansonsten in der Literatur und Rechtsprechung nur wenig reflektierten Gegenstandes, erfolgte bisher durch Dokumente der Generalversammlung, durch eine Allgemeine Bemerkung des Menschenrechtsausschusses zum IPbpR und Entscheidungen des Menschenrechtsausschusses zu Individualbeschwerden. Grundsätzlich besitzen die Resolutionen der Generalversammlung nur empfehlenden Charakter, doch sind sie in der Lage, durch Wiederholung, Konkretisierung und Erweiterung Einfluss auf völkerrechtliche Normen zu nehmen. Das gilt in besonderer Weise für die Friendly Relations Deklaration, die als authentische Interpretation der UN-Charta anerkannt ist. Die Friendly Relations Deklaration der Generalversammlung aus dem Jahre 1970 hebt die Verpflichtung der Staaten hervor, sich der Kriegspropaganda (propaganda for wars of aggression) zu enthalten. Weiter sind zu nennen die Deklaration zur Vorbereitung der Gesellschaften auf ein Leben in Frieden, die Deklaration über die Unzulässigkeit der Intervention und Einmischung in die inneren Angelegenheiten, die ausdrücklich das Verbot der Kriegspropaganda anführen. Auch die Allgemeinen Bemerkungen des Menschenrechtsausschusses wirken auf die Bestimmungen des Paktes und zwar durch Auslegung der Normen nach Ziel und Zweck des Vertrags im Sinne des Art. 31 Wiener Vertragsrechtskonvention. In der Allgemeinen Bemerkung des Menschenrechtsausschusses  Nr. 11 zu Art. 20 aus dem Jahr 1983 wird die Notwendigkeit betont, den Begriff der Kriegspropaganda in Abs. 1 auf alle Formen der Propaganda auszudehnen, die einen Akt von Aggression oder einen Friedensbruch androhen. Damit erfolgt eine Auslegung im Sinne des Art. 39 UN-Charta. Im weiteren wird in der Allgemeinen Bemerkung Nr. 11 einmal bekräftigt, dass die Regelung des Art. 20 Abs. 1 nicht das souveräne Recht auf Selbstverteidigung und das Recht der Völker auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit verbietet, eine Aussage, die schon bei der Erarbeitung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte von Staatenvertretern bekräftigt wurde. Schließlich sind Individualbeschwerden als Instrument der Auslegung von Rechtsnormen anzuführen. Durch die Beschäftigung mit Individualbeschwerden und durch die dazu vom Menschenrechtsausschuss verfassten Ansichten wird die Einhaltung der Regelungen des Paktes überwacht, und der Weg zu einer bestimmten Rechtsanwendung gewiesen. Zu beachten ist jedoch, dass die Individualbeschwerden nicht den Charakter von Klagen haben und die unterbreiteten Ansichten nicht Urteile darstellen, sondern lediglich quasi judikative Wirkung entfalten. Damit befinden sie sich unter der Gerichtsförmigkeit, haben aber vergleichbare Effekte. Die Individualbeschwerden zu Art. 20 beziehen sich nicht ausdrücklich auf Kriegspropaganda, sondern auf den Tatbestand der Aufhetzung nach Abs. 2. Drei solcher Individualbeschwerden sind hier anzuführen, die das Spannungsverhältnis zwischen Art. 20 und Art. 19, der Meinungsfreiheit, zum Gegenstand haben. Die Fragen erstreckten sich in allen drei Beschwerden darauf, ob das Eintreten für rassischen oder religiösen Hass ein Verbot nach Art. 20 Abs. 2 bewirkt oder unter die Meinungsfreiheit des Art. 19 fällt.

Schluss

Beide Regelungen, Art. 26 Abs. 1 GG und Art. 20 IPbpR, haben „Antwortcharakter“, indem sie insbesondere als Reaktion auf die Aufstachelung zum Zweiten Weltkrieg zu betrachten sind. Kriegspropaganda ist aber kein bloßer historischer Gegenstand sondern auch ein Thema der Gegenwart. Propaganda in den Medien kann den Tatbestand der Kriegspropaganda erfüllen. Dies zeigt sich in der aktuellen, direkten oder mit humanistischer Rhetorik verbrämten, Propaganda für militärische Interventionen.

Quelle: Online-Zeitung Schattenblick, www.schattenblick.de