Der Kundus Fall
Der Kunduz Fall
Prof. Dr. Daniel-Erasmus Khan
Bremen 27.3.2013
Film: Luftangriff auf Tanklaster bei Kundus – youtube.com
Recht(losigkeit)?
Silent enim leges inter arma
Denn unter den Waffenschweigen die Gesetze
Mario Tullius Cicero – Pro T. Annio Milone (52 v. Chr.)
Es ist ein abgedroschenes Sprichwort, dass unter den Waffen die Gesetze schweigen; aber es ist auch ein sehr wahres
Thomas Hobbes, 1642, (52 v. Chr.)
„So wenig die Sprache und Civilisation einer Nation in Folge einer Kriegserklärung plötzlich verschwindet und in die ursprüngliche Rohheit und Barbarei zurücksinkt, ebenso wenig kann die Rechtscultur, das Erzeugnis einer Arbeit von Jahrhunderten auf einmal wieder erlöschen und ein Zustand völliger Rechtlosigkeit an seine Stelle treten.“
Johann Caspar Bluntschli, Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staaten (3. Aufl. 1878, 296)
A License to Kill
“the combatant’s privilege (…) is in essence a license to kill or wound enemy combatants and destroy other enemy military objectives.”
Inter-American Commission on Human Rights, Report on Terrorism and Human Rights, OEA/Ser.L/-V/II.116 Doc. 5 rev. 1 corr., 22 October 2002, para. 68.
A license to be killed
Die Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei … sind Kombattanten, das heißt, sie sind berechtigt, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen.
Art. 43 (2) ZP I (1977)Um Schonung und Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte zu gewährleisten, unterscheiden die am Konflikt beteiligten Parteien jederzeit zwischen der Zivilbevölkerung und Kombattanten sowie zwischen zivilen Objekten und militärischen Zielen; sie dürfen daher ihre Kriegshandlungen nur gegen militärische Ziele richten.
Art. 48 ZP I (Grundregel zum Schutz der Zivilbevölkerung)
Strafprozessordnung
§ 152 (Legalitätsprinzip)
(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.
(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.
§ 170 (1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. (…)
(Völker-)Strafgesetzbuch
§ 7 StGB – Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen
(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.
(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter
1. zur Zeit der Tat Deutscher war […]
§ 1 VStGB – Anwendungsbereich
Dieses Gesetz gilt für alle in ihm bezeichneten Straftaten gegen das Völkerrecht, für die in ihm bezeichneten Verbrechen auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist.
Völkerstrafgesetzbuch
§ 11 Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener
Methoden der Kriegsführung
(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt […]
3. mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.
(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 1 bis 6 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.
Kollateralschadenexzess?
Völkerstrafrecht
Bewaffneter Konflikt
Objektiver Tatbestand (Angriff)
Subjektiver Tatbestand (direkter Vorsatz [dolus directus] in Bezug auf die Herbeiführung a) von Kollateralschäden, die b) außer Verhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil stehen.
(Allgemeines) Strafrecht – Art. 211 StGB (TB +)
Kriegsvölkerrechtliche Rechtfertigung
Taliban: Unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten
Geschütze Zivilisten: Völkerrechtlich (noch) hinnehmbarer Kollateralschaden?
Vorsichtsmaßnahmen bei Angriff (Art. 57 ZP I)
Bei Kriegshandlungen ist stets darauf zu achten, dass die Zivilbevölkerung, Zivilpersonen und zivile Objekte verschont bleiben.
Im Zusammenhang mit Angriffen sind folgende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen:
Wer einen Angriff plant oder beschließt,
hat alles praktisch Mögliche zu tun, um sicherzugehen, dass die Angriffsziele weder Zivilpersonen noch zivile Objekte […] sondern militärische Ziele im Sinne des Artikels 52 Absatz 2 sind […]
hat bei der Wahl der Angriffsmittel und -methoden alle praktisch möglichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um Verluste unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen und die Beschädigung ziviler Objekte, die dadurch mit verursacht werden könnten, zu vermeiden und in jedem Fall auf ein Mindestmaß zu beschränken;
hat von jedem Angriff Abstand zu nehmen, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen;
ein Angriff ist endgültig oder vorläufig einzustellen, wenn sich erweist, […] dass der Angriff auch Verluste unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen;
Angriffen, durch welche die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen werden kann, muss eine wirksame Warnung vorausgehen, es sei denn, die gegebenen Umstände erlaubten dies nicht,
Die Bestimmungen dieses Artikels sind nicht so auszulegen, als erlaubten sie Angriffe auf die Zivilbevölkerung, Zivilpersonen oder zivile Objekte.
Vorsichtsmaßnahmen der verantwortlichen militärischen Führer („wer einen Angriff plant oder beschließt“) – Art 57 ZP I
Quelle: Online-Zeitung Schattenblick, www.schattenblick.de